© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/06 01/07 22./29. Dezember 2006

Frisch gepresst

Vertriebene. Den Titel seines Buch über den "historischen Osten in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik (1961-1982)" kleidet der Historiker Manfred Kittel (München/Regensburg) in Frageform: "Vertreibung der Vertriebenen?" (Oldenbourg Verlag, München 2006, 206 Seiten, broschiert 39,80 Euro). Wer sich an diese zwei Jahrzehnte zwischen Mauerbau und Ende der sozial-liberalen Koalition erinnert, kann eine solche Frage natürlich nur rhetorisch verstehen. Die aus dem deutschen Osten Vertriebenen hatte der rheinische Kanzler Adenauer faktisch "exkommuniziert", lange bevor Herbert Hupka eine solche erinnerungspolitische zweite Vertreibung 1982 SPD und FDP anlastete. Nicht also, daß ostdeutsche Kultur und Geschichte samt der Erinnerung an Flucht und Vertreibung aus dem öffentlichen Bewußtsein der Bundesrepublik verschwanden, kann wirklich fraglich sein. Kittel kann sich daher darauf konzentrieren, die wichtigsten Stationen der mit kräftiger, wenn auch manchmal unfreiwilliger Unterstützung vieler Vertriebenenfunktionäre ins Werk gesetzten diskursiven Ausgrenzung zu beschreiben. Sein Ausblick über 1982 hinaus scheint symptomatisch: In der Ära Kohl flossen die Mittel für ostdeutsche Kulturförderung zwar wieder kräftiger, führten aber nicht mehr aus der "Schweigespirale" heraus, bis 1998 unter Rot-Grün der Etat um 45 Prozent gekürzt wurde.

Danzig. Der Untertitel von Birte Pusbacks Hamburger Dissertation (Stadt als Heimat. Böhlau Verlag, Köln 2006, 341 Seiten, Abbildungen, gebunden, 44,90 Euro), "Die Danziger Denkmalpflege zwischen 1933 und 1939", führt ein wenig in die Irre. Es ist nämlich keineswegs nur vom nordischen Venedig die Rede. Vielmehr vergleicht Pusback die Danziger Stadterneuerung mit ähnlichen Altstadtrekonstruktionen in Hamburg, Nürnberg oder Stralsund - überraschenderweise nicht mit dem benachbarten Elbing. Sie ist dabei bestrebt, die Städtebaupolitik in einen weltanschaulichen Kontext zu rücken, der schlecht zur Zäsur von 1933 paßt. Denn die bau- und wohnungspolitischen Anstrengungen zur "Verheimatung" des Städters führen ins 19. Jahrhundert zurück, was Pusback immerhin exkurshaft andeutet. Des Nationalsozialismus hätte es dazu nicht bedurft. Daß die Danziger Lage nach 1919 und nicht erst ab 1933 dazu beitrug, architektonisch den deutschen Charakter der Stadt herauszustellen, verwundert nicht, wird aber weniger analysiert als im üblichen Duktus polemisch kritisiert.


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