© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/07 5. Januar 2007

Aufgeschnappt
Streit um Hermanns Erbe
Matthias Bäkermann

Das Jahr 2009 wirft im Westfälischen bereits seine Schatten voraus. Hätte nicht der Brite Tony Clunn 1987 auf Anraten des Osnabrücker Kreisarchäologen Wolfgang Schlüter bei Kalkriese römische Münzen entdeckt, wäre das zweitausendste Jubiläum der legendären "Schlacht am Teutoburger Wald" ohne Zweifel am Hermannsdenkmal bei Detmold mit großem Aplomb begangen worden. Doch nun wird dieser Ort mit der 1875 eingeweihten 53 Meter hohen Statue des Cheruskerfürsten wohl nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses stehen, da kaum noch Zweifel daran bestehen, daß Varus 9 n. Chr. seine Legionen am Nordrand des Wiehengebirges einbüßte, womit das römische Imperium langfristig auf die Rheingrenze zurückgeworfen wurde.

Allein die Lipper sind mit der neuen Verortung unglücklich. Beleidigt verschweigt der Landesverband Lippe auf seiner Internetpräsenz (www.hermannsdenkmal.de) den kleinsten Hinweis auf den Schlachtort Kalkriese. Und jeder Zweifel an diesem - wie zuletzt vom Hannoveraner Althistoriker Peter Kehne, der Kalkriese als "falsches Puzzleteil" bezeichnete - wird dankbar in der lokalen Presse ausgewalzt, die immer wieder "Beweise statt Indizien" fordert. Die Gründe dürften nicht nur lokalpatriotisch sein, sondern vor allem touristisch. So sank die Besucherzahl am Denkmal von 350.000 (1980) auf zuletzt knapp 170.000, die Übernachtungen gingen um fast eine Million zurück. Mit einer 750.000 Euro teuren Renovierung des imposanten Arminius will man trotz allem für die Jubelfeier gerüstet sein. Vielleicht hat man bis dahin auch den Zwist begraben und kann das historische Erbe kollektiv feiern.


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