© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/07 5. Januar 2007

Für eine Handvoll Leser
Literaturbetrieb: Verleger klagen über schlecht verkaufte Bücher / "Worstseller"-Listen sollen Absatz ankurbeln
Thorsten Thaler

Klagen gehört zum Handwerk. Das gilt auch und vielleicht sogar in besonderer Weise für das Verlegen von Büchern. So gibt es kaum einen Verleger, der sich im Angesicht von zum Teil deprimierend niedrigen Verkaufszahlen seiner - selbstverständlich ausnahmslos guten - Bücher nicht schon mal als waschechtes Klageweib gebärdet hat. Einfallsreich ist das schon lange nicht mehr.

Immerhin originell ist jetzt eine Aktion des Diogenes Verlages in Zürich, dem ein neuer Dreh eingefallen ist, wie er seine Klage so in die Welt posaunen kann, daß sie auch gehört wird. Am Ende seiner Taschenbuch-Frühjahrsvorschau präsentierte er - Novum im Literaturbetrieb - eine Liste mit den zehn im Jahr 2005 am schlechtesten verkauften Büchern aus seinem Programm. Spitzenreiter der "Worstseller" ist der Ire Frank O'Connor mit seinen "Meistererzählungen" (3 verkaufte Exemplare), gefolgt von George Orwell ("Im Innern des Wals", 8 verkaufte Exemplare), und selbst der Literaturnobelpreisträger William Faulkner kommt mit seinem "Griff in den Staub" nur auf verkaufte 36 Exemplare.

Prompt haben auch andere Verleger die Idee aufgegriffen und ihrerseits das hohe Klagelied auf schlechte Verkaufszahlen selbstverständlich ausnahmslos guter Bücher angestimmt. Ein Schelm, wer dahinter nur eine wohlkalkulierte Absatzstrategie vermutet.

Kaufmännisches Denken in allen Ehren, trotzdem hier einige Merksätze fürs Poesiealbum: Es kommt nicht darauf an, wie gut oder schlecht sich ein Buch verkauft. Es kommt darauf an, daß es von den richtigen Leuten gelesen wird. Auch wenn es nur eine Handvoll sind.


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