© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/07 5. Januar 2007

Heiliges Königtum
Politische Zeichenlehre XIII: Stern von Bethlehem
Karlheinz Weissmann

Gelegentlich ist das Fehlen eines Symbols aufschlußreicher als sein Vorhandensein. So hat Michel Pastoureau, wohl der bedeutendste Heraldiker der Gegenwart, bei seinen Untersuchungen festgestellt, daß der Stern unter den Wappenbildern des Mittelalters nur äußerst selten zu finden ist. Die Ursache dafür liegt vielleicht in dem Vorbehalt, den das Mittelalter gegenüber religiösen Vorstellungen haben mußte, die sich mit Sternen verbanden.

Astrologie wurde zwar betrieben, aber mit schlechtem Gewissen. Es war im Grundsatz klar, daß es sich bei der Vorstellung, Gestirne übten Einfluß auf das menschliche Schicksal aus, um einen Aber-, also einen Gegen-Glauben handelte, der die Göttlichkeit der Himmelskörper voraussetzte. Sternensymbole wie Hexagramm und Pentagramm spielten zwar eine Rolle als magische Schutzzeichen, aber auch die gehörten zum religiösen Untergrund des christlichen Abendlandes und wurden als bedenklich angesehen.

Zu den wenigen Ausnahmen von der Regel, die Pastoureau entdeckt hat, gehörte das Wappen der Herren von Baux. Les Baux ist heute noch eine Attraktion Südfrankreichs, ein Felsplateau, das sich nordöstlich von Arles abrupt aus der Ebene erhebt, darauf eine imponierende Festung aus dem 12. Jahrhundert, von der allerdings nur noch Ruinen erhalten sind. Die Herren von Baux gehörten seit dem frühen Mittelalter zu den mächtigen Geschlechtern der Provence, und als Wappenbild führten sie einen silbernen Stern - oder "Kometen" - mit sechzehn Strahlen auf rotem Feld.

Das ungewöhnliche Zeichen erklärte sich durch die besondere Abstammung, die diese Adligen in Anspruch nahmen. Hugo von Baux (1050-1110), der als erster den Namen der Festung als Titel führte, brachte Bau oder Baux in Verbindung mit "Bautezar", der provenzalischen Bezeichnung für Balthasar, einen der Heiligen Drei Könige. Der Stern im Schild des Herrn von Baux sollte also der Stern von Bethlehem sein und ihr Schlachtruf "Au hasard, Balthazar!" ein Appell an den großen Ahnherrn.

Die Verehrung der Heiligen Drei Könige war im Mittelalter außerordentlich populär und hatte Auswirkungen auf die Volksfrömmigkeit ebenso wie auf die politische Theologie. Daß in der biblischen Überlieferung - das heißt: nur im Evangelium des Matthäus - gar keine Rede von Heiligen Drei Königen ist, sondern von einer unbestimmten Zahl von "Magiern" aus dem Osten (die allerdings drei Geschenke bringen), hat die Legendenbildung nicht gehindert, sondern gefördert. Seit der Spätantike waren im Westen auch die Namen Kaspar, Melchior und Balthasar üblich.

In den Zusammenhang dieses Kultes gehörte auch die Verehrung ihrer Gebeine, die sich seit dem 5. Jahrhundert in Mailand befanden und erst 1164 nach Köln überführt wurden, wo sie bis heute im Schrein der Domkirche liegen. Bei dieser Überführung ging es nicht nur um religiöse, sondern auch um politische Überlegungen. Die Verbringung nach Köln war auf Befehl Rainald von Dassels erfolgt, der als Erzkanzler des Reiches ein besonderes Interesse an diesen Königen nahm. Sie galten ihm als Repräsentanten des "Heiligen Königtums", dessen Urbild Melchisedek gewesen war, jener Priesterkönig von Salem aus dem Alten Testament, der keiner Geistlichkeit bedurfte und dessen Würde sogar Abraham anerkannte. Die Tradition von Melchisedek über die Heiligen Drei Könige wollte Rainald bis in die staufische Zeit fortsetzen, um dem römischen Kaiser und dem "heiligen Reich" einen ganz neuen, von der Zustimmung des Papstes unabhängigen Rang zu geben.

So weit wie die Herren von Baux ging er allerdings nicht: Niemand behauptete die leibliche Abstammung Friedrich Barbarossas von einem der Heiligen Drei Könige. Der Versuch Rainald von Dassels ist schließlich auch fehlgeschlagen, und sowenig wie die Staufer entging das Geschlecht der Herren von Baux seinem Schicksal, trotz des hohen Schutzes, dessen es sich zu versichern suchte. Es starb im 15. Jahrhundert aus. Kurz darauf fiel die Reserve gegenüber dem Stern in der Heraldik. Seit dem 17. Jahrhundert wurde der Stern zur zweithäufigsten Wappenfigur überhaupt. Damit begann eine Karriere in der politischen Symbolik, die andauert, vom Sternenbanner über das "Kreuz des Südens" bis zum Sowjetstern haben sich entsprechende Motive außerordentlich verbreitet. Mit dem Stern von Bethlehem hat das allerdings nichts mehr zu tun.

Die JF-Reihe "Politische Zeichenlehre" des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.


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