© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/07 5. Januar 2007

Die Oberfläche angekratzt
Lojewskis Wahrheiten
Peter Lebitsch

Bismarck verabscheute Journalisten, aber Wolf von Lojewski findet seinen Beruf traumhaft. 1937 in Berlin geboren und auf einem Gut bei Gerdauen in Ostpreußen aufgewachsen, studierte er Jura, schrieb Zeitungsartikel, kam zum NDR und moderierte politische Sendungen. Von 1971 bis 1991 arbeitete "Lojo" als ARD-Korrespondent in Washington und London. Dann leitete er das Heute-Journal des ZDF.

Der Autor versteht selbst nicht, wie er so hohe Gipfel bezwang. Dorthin führe kein "ordentlicher Weg", geschweige eine Ausbildung. Das Fernsehen kenne ganz unterschiedliche Typen: politisch Korrekte, Hämische, Mitleidige. Andere wollen nur Interesse erregen. Journalisten seien "unruhige Geister", leicht empörbare Menschen, denen "Abenteuerlust, Neugier und Freude am ständigen Wechsel" im Blut liegen, die gern kritisieren. Politiker und Journalisten, symbiotisch verklammert, wissen "von allem etwas, aber von wenigem viel".

Die Mühle des Proporzsystems quälte auch das SPD-Mitglied Lojewski, und doch verhüllt er dieses finstere Kapitel. Warum hat der alte Medienkämpe über die Intrigen der Lobbyisten nicht mehr offenbart? Pressefreiheit heiße nicht, objektiv zu berichten, sondern vielfältige Standpunkte darzulegen, die sich gegenseitig balancieren und "Vorurteile" mindern. Aber repräsentiert das Fernsehen wirklich jede relevante Meinung? Viele zweifeln daran und argwöhnen eine indirekte Zensur. Es irritiert, daß Lojewski, der den "Schein der Wahrheit" enttarnen möchte, diese Frage verschweigt.

Nachrichten werden "entstellt und zerrupft". Die Mehrheit der Zuschauer giere nach Sensationen und Katastrophen. Beiläufig enthält das Buch einige nützliche Ratschläge. Große Literaten hätten Marktschreierei verurteilt. Pathos und dramatische Inszenierung gefährden die journalistische Arbeit.

Was Objektivität sei, weiß der Autor nicht. Es gebe stets zwei oder mehr Wahrheiten. Ein Berufspilot sagte Lojewski, daß er am besten mit dem "Hintern" fliege. Ersetzt man letzteren durch "Instinkt", kommt man der Wahrheit vielleicht näher.

Wolf von Lojewski: Der schöne Schein der Wahrheit. Politiker, Journalisten und der Umgang mit den Medien. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2006, gebunden, 253 Seiten, 19,95 Euro


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