© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/07 12. Januar 2007

Bilden Sie Bewegungen!
Geheimdienste: Auch die CIA mischt kräftig in Deutschland mit
Günther Deschner

Frei nach Karl Marx, der den Philosophen vorgehalten hatte, sie hätten die Welt nur verschieden interpretiert, es komme aber darauf an, sie zu verändern, werden Geheimdienste von den politisch Verantwortlichen immer wieder an die Grenze zwischen politischen und kriminellen Aktivitäten geführt. Daß dies bei kommunistischen Staaten gang und gäbe war, ist Allgemeingut. Der Sowjetgeheimdienst KGB und die Staatssicherheit der DDR sammelten nicht nur Informationen, sondern versuchten auch, durch "aktive Maßnahmen" den Gang der Weltereignisse zu beeinflussen. Gewalttätige "Sonderaktionen" unterschiedlichster Art, Morde und Entführungen, die Manipulation der Medien, Desinformationskampagnen, das Kompromittieren von störenden Personen, Parteien, Staaten, Ideen und einzelnen Worten gehörten dazu. Auch die rechte, noch mehr die rechtsextremistische Szene bot ein breites Betätigungsfeld.

"Aktive Maßnahmen", die den breit gefächerten Katalog möglicher geheimdienstlicher Aktionen voll ausschöpfen, sind aber nicht auf totalitäre Parteiendiktaturen wie einst in der Sowjetunion beschränkt. Auch geheime Dienste demokratisch verfaßter Staaten, etwa die amerikanische CIA, verwenden die gleichen Methoden.

Der jüngste Bericht von Alfred de Zayas über die Anwerbeversuche der CIA mit dem Ziel, ihn für die Infiltration der Ende der achtziger Jahre erfolgreichen Republikaner zu gewinnen (siehe Seite 5), erinnert erneut an das geheimdienstliche Interesse auch der Amerikaner an allen politischen Aktivitäten "rechts von der Mitte". Und er belegt, daß in einflußreichen Kreisen der US-Politik seit der Gründungsphase der Bundesrepublik die dauernde Sorge besteht, Deutschland könne sich in einer "unerwünschten" Richtung entwickeln, es könne zu einem am deutschen Volk orientierten Umschwung kommen, zu anderen Optionen in Deutschlands außen- und bündnispolitischer Orientierung als der ausschließlich amerikanischen. Eine solche Erweiterung der Optionen, wie sie sich zuletzt in den Jahren vor der Wiedervereinigung andeutete - etwa mit den deutsch-russischen Kontakten, über die Wolfgang Seiffert in seinem jüngsten Buch berichtete -, läge nicht im Interesse jener amerikanischen Kreise. Zu ihrer Verhinderung sind deswegen seit fast 60 Jahren Abteilungen der CIA in Deutschland instrumentiert, die "schädliche" Entwicklungen überwachen und stören und "günstige" mit geheimdienstlichen Methoden befördern. Eine sensationelle Dokumentation des WDR unter dem Titel "Deutschland made in USA" konnte vor einigen Jahren nach freigegebenen Akten das Verfahren der politisch-kulturellen Infiltration Nachkriegsdeutschlands detailliert offenlegen. Luftbrücke, Care-Pakete und Marshall-Plan waren nur die eine Seite. Das Ziel aber war die dauerhafte Einflußnahme der USA auf die inneren Verhältnisse und das Denken der Deutschen.

Federführend war die CIA-Abteilung "Internationale Organisationen", geleitet von dem früheren Wall-Street-Anwalt Frank Wiesner. Einem anderen Wall-Street-Anwalt, John McCloy, hatte man das Amt des Hochkommissars für Deutschland übertragen. Laut seinem Biographen Kai Bird ("The Chairman") sollte er einen lebensfähigen westdeutschen Staat aufbauen, die Teilung aufrechterhalten, den West-Staat in die Nato integrieren und "Deutschland als Abbild Amerikas errichten". In einer geheimen Dienstanweisung an die CIA hieß es: "Falls ratsam, bilden Sie Bewegungen, um Organisationen zu spalten, die schädliche Ideologien verbreiten, ehe sich diese zu einer Bedrohung entwickeln." Um im Rahmen der Umerziehung die Deutschen von preußisch-deutschen Relikten zu "befreien", wurde darüber hinaus ein "Psychologischer Strategieplan für Deutschland" ("top secret") aufgestellt. US-Agenten setzten ihn durch. Gesteuert und finanziert wurde die Kampagne von der CIA. Sie beeinflußte die deutsche Kulturszene, unterstützte Medien, bezahlte Politiker. Ziel war (und ist) es, die "Young Leaders" der Nachkriegsdeutschen ins westliche Lager einzubinden und langfristig den Neutralitätsgedanken auch in der SPD zu diskreditieren. Der Einfluß der CIA reichte bis in die Spitzen der deutschen Politik, auch in die SPD-Führung. Einer der CIA-Verantwortlichen, Thomas Braden, berichtet: "Ich weiß, daß sogar Willy Brandt Geld von der CIA erhalten hat."

Soweit bekannt, haben deutsche Nachkriegspolitiker aus der Annahme von CIA-Geldern nicht direkt persönliche Vorteile gezogen, sondern sie für Wahlkampagnen und zum Ausbau ihrer Karrieren in ihren Parteiapparaten verwandt. Auf jeden Fall aber hat die materielle Unterstützung die Verbindungen zu den USA gestärkt. Auch auf Aufbau und Personalisierung der diversen deutschen Auslands- und Inlandsgeheimdienste nahmen die CIA-Agenten Einfluß. Wie der Sachkenner Andreas von Bülow formuliert, wurden sie "von Anfang an durch US-Geheimdienste verdeckt gesteuert". Dieser Einfluß wird nicht erloschen, und das Interesse an deutschen Entwicklungen nicht geschwunden sein. Alles, was sich "rechts von der Mitte" tut, ist von besonderem Interesse. Einer der führenden außenpolitischen Denker der USA, Zbigniew Brezinski hat in seinem Buch über "Die einzige Weltmacht" ungeniert ausgesprochen, auf die moralische Last Deutschlands aus der Vergangenheit könne man auch in Zukunft setzen.


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