© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/07 12. Januar 2007

CD: Rock
Wundertüte
Michael Insel

Ohrenbetäubende Trommelwirbel, jaulende Gitarren - heißen wir das Neue Jahr mit einem Feuerwerk aus Neapel willkommen, wo sich die Plattenfirma Frontiers inzwischen als weltweit erste Adresse in Sachen Melodic und Hard Rock etabliert hat!

Kaum zu glauben, aber wahr: "Avalon: The Richie Zito Project" ist die erste eigene Platte jenes Mannes, der "Lap of Luxury" produzierte und Cheap Trick damit 1988 an die Spitze der Charts verhalf. Zudem hat Zito als Sessiongitarrist für Musiker von den Beach Boys bis zu Donna Summer in die Saiten gegriffen und Stücke für die Motels, Mr. Big und The Cult produziert und geschrieben. Nun holte ihn Frontiers-Chef Serafino Perugio ins Studio zurück, um eine Art "Wer ist wer" der Melodic-Rock-Szene aufzunehmen: Gäste wie Joseph Williams (Toto), Eddie Money und Philip Bardowell (Unruly Child) lassen es sich nicht nehmen, ihrem alten Freund zu Ehren die eine oder andere Ballade ins Mikro zu schmettern.

Leider bleibt das Ergebnis hinter den hohen Erwartungen zurück: zuwenig Biß in der Produktion, allzu klischeebeladene Texte. Nur manchmal gibt es Momente, in denen alles zusammenpaßt und vergangene Triumphe anklingen, etwa wenn Joe Lynn Turner in "Is He Better Than Me" die Boxen zum Dröhnen bringt wie zu besten Rainbow-Zeiten.

Zitos früherer Weggefährte Richie Kotzen von Mr. Big, dessen melodische Stimme auf "Avalon" über der gefühlvollen Ballade "Forever I Will" schwebt, bemüht sich mit seinem neuen Soloalbum "Into the Black" redlich, das Image des Gitarrenfetzers abzuschütteln. Statt dessen wendet sich das Multitalent (auf dieser Platte spielt Kotzen nicht nur alle Instrumente, sondern zeichnet auch für die Arrangements, Texte und Produktion verantwortlich) jener Musik zu, die er einst auf den Soul-Sendern in Philadelphia hörte. Neben giterrenlastigen Nummern ("Fear") oder dem apokalyptischen Opener "You Can't Save Me" für alle, die's doch lieber laut mögen, bietet die Scheibe melancholisch-melodischen R&B. Besonders hörenswert die beiden letzten Stücke: "Livin' In Bliss" kommt mit Tamburin und Akustikgitarre so beschwingt daher wie sein Titel, während sich Kotzen auf "My Angel" geradezu als Soul-Sänger empfiehlt.

Vom Gitarren-Virtuosen zu einem Sänger, der einst einen einzigen Ton fast dreißig Sekunden lang und damit einen Weltrekord hielt. Das war 1979, das Stück hieß "When I'm With You", der Mann mit dem langen Atem Freddy Curci und seine damalige Band Sheriff. Nun hat er mit Sessionmusikern wie dem Gitarristen Jason Hook oder dem Schlagzeuger Paul Marangoni vier Jahre als "Zion" im Studio verbracht, um mit dem gleichnamigen Album zu beweisen, daß er stimmfest ist wie eh und je. Die Band gerät dabei nicht zuletzt dank einer unsauberen Produktion ins Hintertreffen. Allein drei Songs, bei denen nicht Curci selber, sondern Fabrizio V. Zee Grossi als Produzent den Ton angibt, lohnen ein zweites Hören: der Midtempo-Rocker "Dangerous", die Ballade "No Surprise" und das bluesige "Crash the Mirror".

"Alien", das vierte Album dieser mittwinterlichen Wundertüte, ist ebenfalls ein Debüt, nämlich des Vater-und-Sohn-Gespanns Fran (der einst für Boston als Sänger am Mikro stand) und Anthony Cosmo. Ihre Kollaboration begann mit drei Eigenkompositionen, die Anthony für Bostons fünftes und letztes Studioalbum "Corporate America" schrieb, und einer gemeinsamen Tournee 2002/2003. Unter dem Familiennamen firmierend, machen die beiden nun mit zeitgenössischem Blues-Rock ihr eigenes Ding, statt in Classic-Rock-Nostalgie zu schwelgen. Glanzlichter unter den atmosphärisch aufgeladenen Stücken sind "Don't Tell Me Your Lies", der fulminante Rocker "No Surprise", die sanfte Ballade "Helicopter" und "Creep" mit Anklängen an Tito and the Tarantulas.


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