© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/07 19. Januar 2007

Karlsruhe verwehrt Doppelpaß
Integration: Bundesverfassungsgericht erlaubt Entzug der Staatsbürgerschaft
Arnold Steiner

Das Bundesverfassungsgericht hat in der vergangenen Woche über eine Verfassungsbeschwerde entschieden, in der es um einen Streit zwischen einem türkischen Staatsbürger und der Stadt Frankfurt am Main ging. Diese hatte ihm gemäß Paragraph 25 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) den deutschen Paß entzogen, nachdem bekanntgeworden war, daß er auf eigenen Antrag die türkische Staatsbürgerschaft wieder erworben hatte. Zuvor hatte er diese jedoch gerade mit dem Ziel aufgegeben, in Deutschland eingebürgert zu werden.

Der Beschwerdeführer hielt die Regelung für verfassungswidrig und fühlte sich durch das Vorgehen in seinem Grundrecht aus Artikel 16 des Grundgesetzes verletzt, der es grundsätzlich verbietet, die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Die Karlsruher Richter entschieden, die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen, und folgten damit den Urteilen der Verwaltungsgerichte, die die Rückforderung des Passes als rechtens ansahen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß der Beschwerdeführer selbst die türkische Staatsbürgerschaft beantragt und somit eigenverantwortlich eine Staatsbürgerschaft gewählt habe. Auch hätte ihm angesichts des Einbürgerungsverfahrens klar sein müssen, daß der von ihm eingeschlagene Weg zu einer Doppelstaatsangehörigkeit führe, die ihm der Gesetzgeber mit den geltenden einbürgerungsrechtlichen Bestimmungen gerade verwehren wollte.

"Scheinbürger" in deutschen Wählerregistern

Im Ergebnis gebe es daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß in der Konsequenz dieser Entscheidung die deutsche Staatsbürgerschaft verlorengehe. Dies sei auch ausdrücklich mit dem Staatsangehörigkeitsgesetz vereinbar, das gerade vorsehe, daß die deutsche Staatsbürgerschaft in Fällen verlorengehe, in denen sich jemand aktiv und erfolgreich um eine andere Staatsbürgerschaft bemühe.

Konsequent setzt das Bundesverfassungsgericht damit die Änderungen um, die vom Gesetzgeber im Staatsangehörigkeitsgesetz vorgenommen wurden. Während zunächst nur die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft für den Fall vorgesehen war, daß der Betroffenen weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland hat, wurde in einer Novellierung des Gesetzes dieser Passus gestrichen. Dies war notwendig geworden, nachdem zahlreiche Neubürger nach ihrer Einbürgerung auch ihre zuvor aufgegebene frühere Staatsbürgerschaft sanktionslos zurückerwarben und es so zu einer mißbräuchlichen Umgehung des Grundsatzes der Vermeidung von Mehrstaatigkeit kam (JF 51/05).

Zwar ist nun durch den Wegfall der Inlandsklausel eine Regelungslücke im Staatsangehörigkeitsgesetz geschlossen worden, nicht behoben sind jedoch die Folgeprobleme der undurchsichtigen Staatszugehörigkeit vieler Neubürger.

Diese ergeben sich in erster Linie daraus, daß die Behörden im Regelfall nicht erfahren, wenn sich die eben Eingebürgerten die Staatsbürgerschaft ihres Heimatlandes wiederbeschafft haben. So werden diese "Scheindeutschen" beispielsweise in deutschen Wählerregistern geführt und können so gesetzeswidrig Einfluß auf den Ausgang von Wahlen nehmen. Verstärkt wird dieses Dilemma dadurch, daß die türkischen Behörden jede Auskunft darüber verweigern, welche ihrer Landsleute wieder eingebürgert worden sind. Nach Schätzungen der Bundesregierung, die sich wiederum auf Zahlen aus der Türkei berufen, sind rund 50.000 Deutsch-Türken betroffen.

Angesichts eines knappen Wahlergebnisses wie bei der Bundestagswahl 2002, als die rot-grüne Regierung sich auf eine Mehrheit von nur rund 6.000 Stimmen stützte, wird deutlich, welche Brisanz die Problematik birgt. Betrachtet man die Vorgehensweise der Eingebürgerten, wird klar, daß sich viele nach wie vor ihrer türkischen Nationalität verpflichtet fühlen. Es ist scheint dringend geboten, eine Lösung zu finden, die nicht nur vorhandenen Gesetzeslücken schließt, sondern in erster Linie die Staatsangehörigkeiten eingebürgerter Migranten dauerhaft klärt.


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