© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/07 02. Februar 2007

Kirche will nicht mehr von "Laien" sprechen
EKD-Zukunftskongreß: Der offizielle Protestantismus kuriert die falschen Symptome / Halbierung der Steuereinnahmen bis 2030 befürchtet
Wolfgang Fenske

Wie das Pfeifen im Walde mochte es dem unbefangenen Betrachter erscheinen, als die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in der vergangenen Woche zu einem "Zukunftskongreß" in die Lutherstadt Wittenberg einlud. Denn um die Zukunft des deutschen Protestantismus scheint es demographischen Erhebungen zufolge nicht gut bestellt: Die derzeitige Mitgliederentwicklung vorausgesetzt, würde sich die Zahl der Kirchglieder von heute 25,6 Millionen auf rund 17 Millionen im Jahr 2030 reduzieren - was zugleich eine Halbierung des Kirchensteueraufkommens bedeuten würde.

Die Folgen einer solchen Entwicklung liegen auf der Hand: Pfarrer sowie haupt- und nebenamtliche Mitarbeiter könnten nicht mehr oder nur noch deutlich unter dem derzeitigen Niveau alimentiert werden; Einrichtungen der Diakonie (Kindertagesstätten, Krankenhäuser, Altenheime) und der kirchlichen Bildungsarbeit (Hochschulen, Fachhochschulen, Akademien) wären nicht mehr oder nur unter deutlicher Steigerung des ohnehin schon beträchtlichen staatlichen Finanzierungsanteils zu halten; Hunderte sanierungsbedürftiger und zum Teil baufälliger Kirchgebäude - insbesondere in den mitteldeutschen Landeskirchen - müßten endgültig dem Verfall anheimgegeben werden.

Diese Entwicklung aufzuhalten, war das erklärte Anliegen einer Studie, die bereits im Herbst vergangenen Jahres unter dem Titel "Kirche der Freiheit" (JF 46/06) erschienen war und nun diskutiert wurde. Der Titel der Studie schien gut gewählt, wenigstens dann, wenn man "Freiheit" ganz idealistisch als Möglichkeit begreift, das Notwendige zu tun.

Sichtlich bemüht um Augenhöhe mit dem Zeitgeist

Und an Notwendigem fiele einem schon so manches ein, das der Diskussion wert wäre: eine Verkündigung, die sich konsequent am biblischen Zeugnis und an den Bekenntnissen der Reformation ausrichtet; eine Pfarrerausbildung, die nicht nur zu ideologieanfälligem Expertentum befähigt, sondern zu geistlicher Persönlichkeit erzieht; Pfarrer und Gemeinden, die willens und in der Lage sind, einem so geprägten geistlichen Leben Gestalt zu verleihen; ein kirchliches Selbstverständnis auch, das sich zu derlei in Sprache, Habitus und öffentlichem Auftreten bewußt bekennt.

Von all dem freilich waren die rund 300 Delegierten aus 23 Landeskirchen denkbar weit entfernt. Die lehnten sich denn doch lieber an die Thesen der Studie an, wenn sie in den zwölf Diskussionsforen ("Leuchtfeuer" genannt) unter anderem anregten, Pfarrämter künftig nicht mehr einer Kirchgemeinde, sondern einer "Region" zuzuordnen, wenn anders die Betreuung verstreut wohnender Gemeindeglieder nicht möglich ist. "Begegnungsorte" unterschiedlichster Art ließen so eine "Landkarte der Kraftorte" entstehen. Hand in Hand mit solchen Visionen ging die Überlegung, Verkündigung und Sakramentsverwaltung - eigentlich Aufgabe ordinierter Geistlicher - verstärkt hauptamtlichen Mitarbeitern zu übertragen, die dazu dann auch ordiniert werden könnten. Werden sie es nicht, sollen sie die Gemeinden durch "neue Gottesdienstformen" betreuen können, die keines ordinierten Geistlichen bedürfen. Wegen der sich abzeichnenden Ausdifferenzierung des hauptamtlichen Personals sei die Rede von "Laien" künftig jedenfalls zu vermeiden.

Fraglich bleibt, wie "neu" die Konzepte tatsächlich sind, mit denen der "Zukunftskongreß" der Misere der EKD zu begegnen gedenkt. Die Augenhöhe mit dem Zeitgeist, die er gesucht und gefunden hat, legt jedenfalls den Verdacht nahe, man kuriere die falschen Symptome.


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