© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/07 02. Februar 2007

"Gott wird mir den Weg zeigen"
Bundestag: Der ehemalige CDU-Abgeordete Henry Nitzsche erhält viel Zustimmung
Marcus Schmidt

Die schnarrende Stimme aus dem Lautsprecher mahnt zur Eile. "In 20 Minuten", so verkündet sie, beginnt im Bundestag eine "strittige Abstimmung". Alle Abgeordneten werden aufgefordert, ins Plenum zu kommen. Wenn Henry Nitzsche sich jetzt von seinem Abgeordnetenbüro Unter den Linden auf den Weg zum Reichstag machen würde, käme er vielleicht gerade noch rechtzeitig. Doch Nitzsche lehnt sich entspannt in seinem Stuhl zurück. Er macht keine Anstalten, der Aufforderung zu folgen. "Die haben mich noch nicht abgeklemmt", sagt er und lacht. "Die", das ist die Fraktionsführung von CDU und CSU, die über eine Lautsprecheranlage ihre Abgeordneten bei der Stange hält.

Nitzsche, der im Dezember aus der CDU ausgetreten war, ist keiner Fraktionsdisziplin mehr unterworfen. Auf seine Stimme muß die Union künftig verzichten. Er ist jetzt ausschließlich seinen Wählern im Wahlkreis verantwortlich - und die Erleichterung darüber ist ihm anzumerken. Daß er jetzt als Einzelkämpfer im Bundestag auf sich allein gestellt ist, hat dem Lausitzer nicht die gute Stimmung verdorben. Nitzsche strahlt Optimismus aus und wirkt unternehmungslustig. Auch weiterhin werde er im Verkehrsausschuß mitarbeiten und sein Beratungs- und Antragsrecht wahrnehmen. Als Fraktionsloser genießt er zudem neue Freiheiten: So könne er nun im Parlament zu jedem Thema reden. Abgeordneten, die in eine Fraktion eingebunden sind, sei das nicht möglich.

Eigens neue Mitarbeiter eingestellt

Seit seinem Austritt aus Partei und Fraktion kann sich der sächsische Bundestagsabgeordnete vor Post kaum retten. Um die Hunderte von Briefen auszuwerten und zu beantworten, mußte Nitzsche in seinem Berliner Bundestagsbüro eigens einige Helfer einstellen. In den Briefen habe er viel Zustimmung und Unterstützung erhalten, sagt er. Und immer wieder tauche die Frage auf, ob er nun eine eigene konservative Partei gründe. Auch zahlreiche Parteien hätten sich bereits bei ihm gemeldet und zur Mitarbeit aufgefordert.

Doch Henry Nitzsche will nichts überstürzen. "Es hat keinen Sinn, den dritten Schritt vor dem ersten zu machen" mahnt er mit Blick auf Parteigründungen in der Vergangenheit, die häufig zuerst über Parteistrukturen und Posten nachgedacht und sich erst danach um den Inhalt gekümmert hätten. Diesen Fehler wolle er nicht wiederholen, wenn - ja, wenn - er tatsächlich eine eigene konservative Gruppierung gründen sollte.

Ein solches Vorhaben müsse in Ruhe angegangen werden und von unten, von der Basis aus wachsen. "Ich will nicht wie eine Rakete zu den Sternen starten und dann verglühen", sagt Nitzsche und richtet seinen Blick nach Sachsen, auf seinen Wahlkreis. "Ich könnte mir auch vorstellen, 2008 als Landrat zu kandidieren."

Auch sei es möglich, bei den Kreistagswahlen anzutreten, sagt er und läßt damit erkennen, daß er seine politische Zukunft nicht um jeden Preis in Berlin sieht. "Gott wird mir den Weg zeigen und mir die richtigen Mitstreiter an die Seite geben", sagt der gläubige Christ.


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