© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/07 09. Februar 2007

Aufgeschnappt
Deutschland ohne Schlesien
Matthias Bäkermann

Die Provinz Schlesien ist nach der Vertreibung der Deutschen spätestens 1990 von unserer politischen Tagesordnung verschwunden und spielt nur noch in der Erinnerung von Historikern und Vertriebenen eine Rolle. Ob Schlesien langfristig Platz im kollektiven Gedächtnis finden wird, ist nach Lektüre aktueller bundesdeutscher Schulbücher dagegen ungewiß.

Im Zuge einer Kreisgebietsreform wegen des regionalen demographischen Niedergangs soll nun auch noch das letzte Relikt Schlesiens von der politischen Landkarte verschwinden: Im westlichsten Zipfel der preußischen Provinz diesseits der Neiße mit den Städten Görlitz und Hoyerswerda überdauerte der politische Begriff im Kreis "Niederschlesische Oberlausitz" den Untergang des Kernlandes bis heute. Aufgrund der Initiative des sächsischen Innenministers Albrecht Buttolo (CDU) soll die größere bis Zittau reichende Verwaltungseinheit aber bald "Görlitz" heißen. Das Versprechen, "historische und religiöse Bindungen und Beziehungen" zu schonen, fand nur bei der sorbischen Minderheit Berücksichtigung. Gerd Kresse, Bundesvorstand der Schlesischen Jugend, sieht nun einer "zweiten Vertreibung aus dem Gedächtnis" und einer "Zerstörung der schlesischen Identität" Vorschub geleistet. "Alle Einwände wurden geprüft, aber letztlich als nicht ausschlaggebend beurteilt", verteidigt Ministeriumssprecher Michael Schumann den neuen Namen gegenüber der JF. "Schlesien wird zudem durch Görlitz als neue Hauptstadt genügend repräsentiert." Jetzt hat der Widerstand der Schlesier noch bis Ende 2007 Zeit, Gehör zu finden. Dann wird der sächsische Landtag die Kreisreform beschließen. 


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