© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/07 09. Februar 2007

Der Staat als Arbeitgeber
Bürgerarbeit: Wie die Stadt Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt für Vollbeschäftigung sorgt
Michael Weis

Die Idee klingt nicht nur einfach, sie erscheint auch absolut logisch. Anstatt Arbeitslosengeld I oder II und Mietzuschüsse einfach ohne direkten gesamtgesellschaftlichen Nutzen auszuzahlen, könnte der Staat gering entlohnte Arbeitsplätze für all jene schaffen, denen es nicht gelingt, auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden.

Dadurch könnten dem Gemeinwohl dienliche Tätigkeiten optimal erledigt werden, auch wenn diese unrentabel oder ansonsten nicht zu finanzieren sind. Die Folge wäre ein Gewinn für die Allgemeinheit und eine Form der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung. Ferner erhielten auf diese Weise die Arbeitslosen eine sinnvolle Tätigkeit, die sie aus ihrer täglichen Eintönigkeit reißen und ihnen zu neuem Selbstbewußtsein, ja sogar weiteren Qualifikationen verhelfen könnte.

Praktisch umgesetzt hat diese Idee vor einiger Zeit das 4.200 Einwohner zählende Kurstädtchen Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt. Unter Einbeziehung von Arbeitslosengeldern, Finanzmitteln, die normalerweise für Maßnahmen wie berufliche Weiterbildungen zur Verfügung stehen, und Zahlungen aus dem Europäischen Sozialfonds konnten 331 Arbeitslosen in sozialversicherte Arbeit gebracht werden. Damit hat Bad Schmiedeberg Vollbeschäftigung.

Die sogenannten "Bürgerarbeiter" verdienen knapp 900 Euro brutto und erledigen Arbeiten, für die der Staat eigentlich kein Geld hat, die aber doch getan werden müssen. Da die Idee in dem Kurstädtchen derart gut funktioniert hat (noch im vergangenen September lag die Arbeitslosenquote bei 16 Prozent), scheint nun auch die Große Koalition auf den Zug aufspringen zu wollen. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Klaus Brandner brachte bereits drei Varianten von "sinnvoller Beschäftigung" durch den Staat ins Gespräch: öffentlich geförderte Arbeit in Kommunen, Arbeit in Integrationsbetrieben und geförderte Stellen in der Privatwirtschaft. Bei letzterer sollten die Arbeitgeber, so Brandner, einen "finanziellen Nachteils­ausgleich" für die Bereitstellung von Arbeitsplätzen erhalten.

Geplant seien zunächst rund 100.000 Arbeitsplätze im gesamten Bundesgebiet, die anders als bei Ein-Euro-Jobs keiner zeitlichen Begrenzung unterliegen sollen. Renten- und Krankenkassenbeiträge sollen dabei genauso vom Staat übernommen werden wie der Beitrag zur Pflegeversicherung. Die Arbeitslosenversicherung hingegen werden die dann nicht mehr Arbeitslosen wohl selbst zahlen müssen. Angesichts von Schätzungen, die von rund 200.000 bis 400.000 Arbeitslosen ohne Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt ausgehen, erscheint die Initiative der Koalition für viele Erwerbslose wie ein schöner Traum.

Gefahr für das ehrenamtliche Engagement

Doch bei allen Chancen des Modells der Bürgerarbeit und den durchaus einleuchtenden Begründungen darf man die Schattenseiten nicht vergessen. Zunächst einmal könnte die Bürgerarbeit das ehrenamtliche Engagement verdrängen und sich damit schädlich auf das gesellschaftliche Klima und den Zusammenhalt innerhalb des Staates auswirken.

Darüber hinaus stellt die Bürgerarbeit einen gewaltigen staatlichen Eingriff in den Arbeitsmarkt dar und kann die marktwirtschaftliche Selbstregulation in hohem Maße beeinträchtigen. Gerade dann, wenn nicht nur soziale Tätigkeiten von allgemeinem Nutzen gefördert werden, entstehen unübersehbare Risiken. Jede durch einen staatlichen Lohnzuschuß geförderte Stelle ist eine potentielle Gefahr für einen auf dem freien Markt entstandenen Arbeitsplatz. Schließlich ist es für jeden Arbeitgeber nur logisch, eher eine geförderte Stelle als eine nicht geförderte zu schaffen. Bürgerarbeit in der von Brandner angesprochenen Form ist darüber hinaus nichts anderes als eine staatliche Subvention (mit allen subventionstypischen Nachteilen).

Hinzu kommt, daß die Auswahl der zu fördernden Stellen oder Branchen wohl stets durch die üblichen überbürokratisierten staatlichen Organe erfolgen wird und dementsprechend langsam vonstatten gehen dürfte. Daraus könnte sich das Problem einer jeden der Planwirtschaft ähnlichen Struktur ergeben, nämlich mangelnde Flexibilität in Verbindung mit geringer Wirtschaftlichkeit. Zudem kann die Frage gestellt werden, inwieweit ein staatlicher Lohnzuschuß sich auf mittlere und lange Sicht auf das allgemeine tariflich und außertariflich ausgehandelte Lohnniveau auswirken wird.

Bürgerarbeit erscheint folglich also eine im Kern durchaus bedenkenswerte Möglichkeit zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und vieler ihrer Folgen. Hinzu kommt, daß durch ein derartiges Modell mangelndes Engagement auf dem sozialen Sektor ausgeglichen werden könnte.

Es bestehen jedoch auch nicht zu unterschätzende Risiken. Dabei ist vornehmlich die Gefahr für den ersten Arbeitsmarkt durch die Schaffung subventionierter Stellen zu nennen, mit denen die freie Wirtschaft nicht konkurrieren kann.


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