© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/07 09. Februar 2007

Erben droht teurer zu werden
Finanzpolitik: Verfassungsgericht kippt Sonderbehandlung von Immobilien und Firmen bei der Erbschaftsteuer
Michael Weis

Am 31. Januar entschied das Bundesverfassungsgericht, daß der Gesetzgeber verpflichtet ist, bei der Vererbung sämtliche Vermögensgegenstände mit den gleichen Ansätzen zu bewerten. Allerdings räumt Karlsruhe ein, daß mittels Verschonungsregelungen der Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände begünstigt werden kann, wenn dies durch Ziele des Gemeinwohls gerechtfertigt ist. Dabei muß der Ausgangspunkt aber stets der tatsächliche, einheitlich ermittelte Verkehrswert sein.

In den letzten zehn Jahren hat das Erbschaft- und Schenkungsteueraufkommen drastisch zugenommen. Betrugen die Einnahmen daraus 1997 nur rund 2,1 Milliarden, konnten die Bundesländer 2006 fast 3,8 Milliarden Euro requirieren.

Die Erbschaftsteuer wird von den Finanzämtern entsprechend der Steuerklasse des Erben festgesetzt. Sie reicht in Abhängigkeit von der Steuerklasse und der Höhe der Erbschaft von sieben bis 50 Prozent. Für Ehegatten gilt hierbei ein Freibetrag von 307.000 Euro, für Kinder ist alles bis 205.000 Euro steuerfrei. Ferner sind Erblasser-Schulden und Auflagen sowie Kosten, die mit der Abwicklung des Erbes zusammenhängen, steuerlich absetzbar. Werden Grundstücke vererbt, so richtet sich deren Wert - und damit die darauf entfallende Steuer - bislang nach Bodenricht- oder den Ertragswerten. Diese werden auf Grundlage des fast nicht zu durchschauenden Bewertungsgesetzes (BewG) festgelegt.

Ausnahmeregelungen weiter unbedingt erforderlich

Der für die Steuer benutzte Grundstückswert liegt so nach Angaben des Finanzministeriums im Schnitt bei etwa 50 Prozent des Verkehrswertes, wobei Werte von 20 Prozent genauso auftreten können wie 100 Prozent. Bei unbebauten Grundstücken werden etwa 80 Prozent des Verkehrswertes erreicht, für land- und forstwirtschaftliche Vermögen teils nur zehn Prozent. Letztere werden nämlich wie gewerbliche Betriebe durch sogenannte Bewertungsabschläge bevorteilt.

Auf den ersten Blick mag nunmehr die Karlsruher Entscheidung einleuchtend erscheinen. Schließlich ließe sich argumentieren, daß es keine Rolle spielen darf, in welcher Form das zu vererbende Vermögen vorliegt. Darüber hinaus könnte der Wegfall von Ausnahmeregelungen und unterschiedlichen Steuersetzen sicherlich zu mehr Klarheit führen und damit ein Beitrag zur Steuervereinfachung sein. Hinzu kommt, daß die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer durch einen Wegfall von Vergünstigungen weiter wachsen könnten.

Betrachtet man die Erbschaftsteuer jedoch unter Gerechtigkeitsgesichtpunkten und überprüft die Folgen der Abgabe für die Erben bzw. das Erbe selbst, so wird schnell deutlich, daß Ausnahmeregelungen für Immobilien und Firmen unbedingt erforderlich sind. Daß ein beträchtlicher Teil der Familienhinterlassenschaft dem Staat übereignet wird und das, was ohnehin schon im Besitz ihrer Familie ist, als "neues Einkommen" betrachtet wird, ist für die Betroffenen schlimm genug.

Da der Fiskus aber nun einmal Einnahmen braucht, wird sich an der generellen Existenz der Erbschaftsteuer nichts ändern - auch wenn es sie in mehreren EU-Ländern und einigen Schweizer Kantonen nicht gibt. In den angelsächsischen Ländern ist sie hingegen üblich. In Deutschland sollte es jetzt zumindest darum gehen, die schlimmsten Folgen des Karlsruher Urteils zu mildern.

Bei einer vollen Versteuerung von vererbtem Betriebsvermögen ständen schließlich die Existenzen Tausender Firmen und Arbeitsplätze auf dem Spiel. Müßten die Erben nämlich den vollen Satz zahlen, so könnte schnell das gesamte Kapital des Betriebes vom Staat eingezogen werden, was viele Firmen ruinieren würde. Somit ist eine Minderung der Erbschaftsteuer im Falle von Unternehmen - besonders auch bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die in der Regel über wenig freies Kapital im Verhältnis zum Wert des Grundbesitzes verfügen - mit einer Investition in Wirtschaft und Arbeitsplätze gleichzusetzen.

Steuerliche Zwangsverkäufe an "Heuschrecken" denkbar

Ähnlich wie bei Betrieben verhält es sich freilich auch bei Wohneigentum. Würde der Staat an dieser Stelle keine steuerlichen Vergünstigungen gewähren, müßten die Erben unter Umständen Teile von Haus oder Hof verkaufen, um die Steuer zu entrichten, oder einen Kredit aufnehmen, um den - mit viel unternehmerischem Risiko und Eigeninitiative geschaffenen - Familienbesitz erhalten zu können.

Die häufig als "Heuschrecken" titulierten internationalen Finanzinvestoren würden sich hingegen sicher freuen, wenn sie steuerliche Zwangsverkäufe in ihren Besitz bekämen. Ganz zu schweigen davon, daß mit über Generationen aufgebauten Firmen und Immobilien Traditionen verknüpft sind, die es bei Bargeld oder Aktien-Paketen in der Regel sicherlich nicht zu berücksichtigen gäbe.

Momentan kann man aber nur hoffen, daß Eigentum und familiäre Leistung auch weiterhin etwas zählen und steuerliche Vorteile für Immobilien und Betriebe bei der Vererbung auf andere Weise erhalten bleiben. Ein Desaster wäre hingegen eine Angleichung der Steuer nach oben, was bei der derzeitigen Koalition trotz aller Dementi nicht auszuschließen ist.


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