© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/07 09. Februar 2007

Sein Name wurde zum Markenzeichen
Hier spricht Edgar Wallace: Der englische Schriftsteller setzte Maßstäbe für das Genre des Kriminalromans
Werner Olles

Rund zehn Jahre lang gab es in Deutschland eine Filmreihe, in der so unheimliche Gestalten wie schwarze Äbte, Hexer, peitschenschwingende Mönche, bucklige Würger, Hunde mit Giftzähnen, lachende Leichen und mordende Gorillas ihr Unwesen trieben.

Zehn Jahre lang war es unmöglich, von Edgar Wallace nicht gefesselt zu sein, nachdem der Berliner Filmproduzent Horst Wendlandt gemeinsam mit seinem dänischen Partner Preben Philipsen 1959 den Erfolgsroman "Der Frosch mit der Maske" des britischen Kriminalschriftstellers auf die Leinwand brachte.

Das Erfolgsrezept war ebenso neu wie wirkungsvoll: Hochspannung, ein guter Schuß englischer Humor und vor allem schaurig-schöne Gruseleffekte, das Ganze sauber und präzise dargeboten von Deutschlands besten Theater- und Filmschauspielern.

Der Name Edgar Wallace war zum Markenzeichen geworden. Und es störte kaum jemand, daß Filme und Romane bald nichts mehr miteinander zu tun hatten. Selbst der große Edgar Wallace wäre auf die Gestalten, die die Rialto-Autoren schufen, stolz gewesen. Dabei hatte der eigentliche Wallace-Boom bereits begonnen, als der Goldmann Verlag in den frühen fünfziger Jahren die Krimis des englischen Autors in einer auffällig rot eingebundenen Taschenbuchreihe herausbrachte. Titel wie "Der grüne Bogenschütze", "Der Hexer", "Der Zinker" oder "Die toten Augen von London" verkauften sich blendend, und die zahlreichen Leser warteten schon immer sehnsüchtig auf das nächste Buch.

Edgar Richard Horatio Wallace wurde am 1. April 1875 als außerehelicher Sohn eines unbekannten Schauspielers in Greenwich geboren. Später adoptierte ihn der Lastenträger George Freeman, und so wuchs der Junge in ziemlich ärmlichen Verhältnissen auf. Wallace arbeitete als Milchhändler, Hilfsarbeiter und Zeitungsverkäufer in der Londoner City. Dies weckte jedoch sein Interesse am Schreiben, und er begann schließlich selbst kleine Glossen und Artikel zu verfassen. Für die Daily Mail zog er als Kriegsberichterstatter in den Burenkrieg. So nahm seine journalistische Karriere seinen Anfang. Der Verleger berief ihn sogar zum Chefredakteur, doch gab er diesen Posten bald schon wieder auf, um sich in London als freier Schriftsteller niederzulassen.

Er führte den aufwendigen Lebensstil eines Dandys

1904 erschien sein erster Kriminalroman "The Four Just Men" ("Die vier Gerechten"), ein aus zielstrebiger Rätselhaftigkeit bis zur letzten Seite spannendes Buch. Neben seinen Kriminalromanen verfaßte er eine ganze Reihe Sachbücher, schrieb Drehbücher fürs Theater und eine fast unüberschaubare Anzahl Kurzgeschichten, Essays und Artikel für Zeitungen und Zeitschriften. Doch berühmt wurde er primär durch seine Detektivgeschichten und die sieben Afrikaromane um den Kolonialpolizei-Inspektor Sanders, die 1911 mit "Sanders of the River" ("Sanders vom Strom") eingeleitet wurden. Mit "Todestrommeln am großen Fluß" und "Sanders und das Schiff des Todes" wurden Mitte der sechziger Jahre zwei dieser Afrika-Krimis auch in Deutschland verfilmt.

Wallaces über einhundert Kriminalromane setzten Maßstäbe für ein Genre, die von zahlreichen Schriftstellern nachgeahmt wurden, ohne daß diese jemals die Qualität des Originals erreichten. Dabei waren gerade die Kriminalerzählungen nach einem ziemlich simplen Strickmuster geschrieben: In der Regel soll eine junge Frau von habgierigen Verwandten um ihr Erbe betrogen werden, oder jemand will sich an einer anderen Person für erlittenes Unrecht rächen. Auch die Protagonisten ähneln sich frappant: Der junge Scotland-Yard-Inspektor, der Butler mit anrüchiger Vergangenheit, der zwielichtige Obergauner, skurrile Adlige und natürlich das Opfer, eine hübsche, junge Frau, die sich im Laufe der Handlung in den Polizeiinspektor verliebt. Orte der Handlung sind entweder die Londoner City, Soho mit seinen finsteren Spelunken und verruchten Nachtbars, vor allem aber uralte Landsitze, Herrenhäuser und Schlösser. Ein paar Elemente des Schaurigen und Traumhaften tun das Ihre, um den Erfolg zu garantieren.

Wallace war zeit seines Lebens hoch verschuldet, obwohl er mit seinen Romanen sehr gut verdiente. Doch er führte den aufwendigen Lebensstil eines Dandys, für den nur die besten Restaurants und exklusivsten Häuser in Frage kamen. Wie am Fließband diktierte er schließlich seine Romane in einen Phonographen und avancierte so zum erfolgreichen Vielschreiber.

Anfang der dreißiger Jahre kam er sogar in Hollywood als Drehbuchautor zu neuen Ehren. So schrieb er beispielsweise am Buch des legendären "King Kong"-Films von 1933 mit. Als der Film schließlich mit großem Erfolg in den Kinos lief, war Edgar Wallace jedoch bereits nicht mehr am Leben. Im Alter von nur 56 Jahren war der berühmte Kriminalschriftsteller am 10. Februar 1932 in Los Angeles gestorben. Neben einem enormen Schuldenberg hinterließ er 175 Bücher, von denen zumindest die Kriminal- und Afrikaromane bis heute Kultstatus genießen. 

Fotos: Joachim Fuchsberger, Siegfried Schürenberg und Eddi Arent (v.l.n.r.) in der Wallace-Verfilmung "Der Hexer" (1964): Hochspannung und Humor, Edgar Wallace (1875-1932)


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