© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/07 16. Februar 2007

Aufgeschnappt
Historische Fragwürdigkeiten
Matthias Bäkermann

Wir wollen keinen Historikerstreit", beschwichtigt der Darmstädter Stadtrat Klaus Feuchtinger (Bündnis 90/Die Grünen). Deshalb habe man sich auch "viel Zeit gelassen, eine seit 1915 nach Hindenburg benannte Straße umzubenennen". Nun hat das vom hauptamtlichen Stadtrat gewünschte Aussitzen der Umbenennung - vom rot-grün dominierten Magistrat bereits 2005 beschlossen - doch noch zu Diskussionen geführt.

Die Entscheidung gegen den aus Dank für seinen Sieg von Tannenberg 1914 gewürdigten General und späteren Reichspräsidenten (1925 bis 1934) wird besonders von der politischen Linken verteidigt. Für Susanne Steffens vom SPD-Ortsverein Darmstadt-Mitte ist Hindenburg nämlich eine "historisch gesehen fragwürdige Person gewesen", wie sie dem Darmstädter Echo anvertraute, "da er Mitverantwortung für das Hitler-Regime" trage. Wesentlich vertrauter als das auch von ihrer Partei 1932 gewählte Staatsoberhaupt der ersten Republik ist Steffens da schon Marion Gräfin Dönhoff, die sie als "eine der herausragendsten Frauen der 20. Jahrhunderts" einschätzt. Die Zeit-Herausgeberin sei "nachweislich Hitler-Gegnerin gewesen" und als Mitgründerin des seit 1980 ansässigen Deutschen Polen-Instituts auch symbolhaft für Darmstadt. Da die Hauptkosten eines neuen Namens für die Straße an der Innenstadtperipherie ohnehin die Anwohner tragen, soll den Namensstreit nun deren Plebiszit beilegen. Diese Woche wurden die Fragebögen an 144 Haushalte und 22 Firmen geschickt. Kommt keine Mehrheit gegen die "Marion-Dönhoff-Straße" zustande, wird der Name des alten Reichspräsidenten weichen müssen.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen