© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/07 16. Februar 2007

Licht und Schatten
Demographie: Studie untersucht Auswirkungen des Bevölkerungsrückgangs / Östliche Bundesländer als "Sorgenkinder"
Josef Hämmerling

Die demographische Entwicklung in Deutschland ist alarmierend und droht sich negativ auf die Produktivität auszuwirken. Zu diesem Schluß kommt die Bertelsmann-Stiftung in ihrem neuesten Demographiemonitor. Danach seien die Bundesländer unzureichend für die Zukunft gerüstet. Selbst wirtschaftlich starke Länder wie Bayern und Baden-Württemberg haben der Studie zufolge Nachholbedarf. Andererseits gebe es Lichtblicke auch in den östlichen Bundesländern, die die größten "Sorgenkinder" und allesamt in der schwächsten Leistungsgruppe seien.

Stadtstaaten Hamburg und Bremen an der Spitze

Die Stiftung hat es sich seit einigen Jahren zur Aufgabe gemacht, den demographischen Wandel in Deutschland zu analysieren und auf Entwicklungen hinzuweisen. Im vergangenen Jahr wurde erstmals eine Analyse vorgestellt, die zeigt, wie sich jede einzelne der fast 3.000 Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern bis ins Jahr 2020 voraussichtlich entwickeln wird. In diesem Jahr sind anhand von 59 Indikatoren, die für den Zeitraum von 1991 bis 2004 erstmals für alle Bundesländer analysiert wurden, Vergleiche der unterschiedlichen demographischen Ausgangslagen und Trends der Länder möglich. Diese wurden dann aufgrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, gemessen am realen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (BIP), in vier Gruppen eingeteilt.

Danach haben die Stadtstaaten Hamburg und Bremen sowie Hessen mit einem BIP pro Kopf von über 30.000 Euro die besten wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Bewältigung des demographischen Wandels. Doch auch in diesem Spitzentrio gebe es Warnsignale, etwa den anhaltend hohen Prozentsatz der Jugendlichen ohne Schulabschluß. Die zweite Gruppe, Bundesländer mit punktuellen Schwächen, bilden Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, die ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zwischen 24.000 und 30.000 Euro erwirtschaften. Zu den Stärken dieser Länder gehört die Zunahme der Erwerbsbeteiligung der Älteren und der Frauen. Allerdings belastet die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit der Jugendlichen unter 25 Jahre.

Ins Mittelfeld mit einem BIP zwischen 20.000 und 24.000 Euro stuft die Stiftung die Länder Saarland, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz sowie Niedersachsen und Berlin ein. Zwar sei positiv zu werten, daß sich mit Ausnahme Berlins die Anzahl der Erwerbstätigen positiv entwickelt habe. Allerdings gebe es in dieser Gruppe auch die geringsten Produktivitätszuwächse.

In die Gruppe der "Sorgenkinder" fallen Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, die lediglich ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von weniger als 20.000 Euro erwirtschaften. Besonders negativ schlägt hier nach Ansicht der Autoren der Rückgang der Frauenerwerbstätigkeit zu Buche. Positiv sei die Trendwende bei der Geburtenrate, und auch die Quote der Hochschulabsolventen sei deutlich gestiegen.

Insgesamt sind aber der Studie zufolge alle Bundesländer negativ von der demographischen Entwicklung betroffen. Zwar schrumpft die Bevölkerung nur noch in den mitteldeutschen Bundesländern, aber in ganz Deutschland steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung. Dies wirkt sich auch negativ auf den Erwerbstätigenanteil aus, die sogenannte Aktivenquote, insbesondere bei den Männern. Erfreulich hat sich dagegen die Aktivenquote der Frauen in einigen Ländern entwickelt, ohne jedoch die Abnahme bei den Männern kompensieren zu können.

Diese Folgen der Alterung wurden in der Vergangenheit vor allem durch Produktivitätssteigerungen kompensiert. Die Analysen aus dem Demographiemonitor zeigen allerdings, daß dies in Zukunft gefährdet ist. So haben etwa alle Bundesländer zum Teil erheblichen Nachholbedarf bei den Bildungsausgaben.

Foto: Kinder beobachten den Abriß einer Schule im Berliner Osten: Folgen des Geburtenrückgangs


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