© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/07 16. Februar 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Glaubwürdigkeit verspielt
Andreas Mölzer

Bei ihrem jüngsten Treffen beschlossen die EU-Außenminister, Sanktionen gegen den Iran wegen dessen Atomprogramm zu verhängen. Neben Handelsbeschränkungen für Nuklear- und Raketentechnologie sind Einreiseverbote und ein Einfrieren von Vermögenswerten vorgesehen. US-Präsident George W. Bush, der den "Schurkenstaat" zum Teil der "Achse des Bösen" erklärt hatte, kann zufrieden sein. Die Europäer hat wieder einmal der Mut verlassen - statt ein eigenständiges außenpolitisches Profil zu zeigen, folgen sie lieber den Vorgaben aus Washington.

Dabei scheint Brüssel nicht bedacht zu haben, daß Washingtons Nahostpolitik ein Lehrbuchbeispiel dafür ist, wie man die Spirale der Gewalt weiterdreht. Der Irak droht vollends im Bürgerkrieg zu versinken, und der israelisch-palästinensische Konflikt geht mit unverminderter Härte weiter. Als ob das noch nicht genug wäre, setzt Bush seinen Kurs unbeirrt fort. Und die Europäer, die dem Rattenfänger im Weißen Haus folgen, laufen nicht nur Gefahr, die Feindschaft der gesamten islamischen Welt auf sich zu ziehen, sondern machen sich auch der Komplizenschaft am Bruch des Völkerrechts durch die USA schuldig.

Keine Spur einer außenpolitischen Unabhängigkeit zeigt das EU-Polit-Establishment auch bei der Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Anstatt die einseitige Haltung Washingtons zu verurteilen, hört man in Brüssel allerlei Beschwörungsformeln und Ermahnungen an die Palästinenser. Und ist das schlechte Gewissen zu groß, dann wird das Scheckbuch gezückt. Daß die EU mit dieser halbherzigen Politik die Region nicht auch nur ein kleines Stück dem Frieden näherbringen wird, liegt auf der Hand. Wollte die EU ihre unzähligen Ankündigungen mit Leben erfüllen, in der Weltpolitik ein ernstzunehmender Akteur zu sein, dann darf sie nicht neben den USA den Anwalt Israels spielen, sondern muß als ehrlicher Makler zwischen den Streitparteien vermitteln. Und dazu gehört neben der Achtung des Lebensrechts des Staates Israel die Anerkennung des Rechts des leidgeprüften palästinensischen Volkes auf einen eigenen Staat.

Ein außenpolitischer Offenbarungseid ist auch die Haltung der EU in der Kosovo-Frage. Hier will Brüssel Serbien mit der Gewährung einer "europäischen Perspektive" unter Druck setzen und zur Zustimmung des Plans von Uno-Chefvermittler Martti Ahtisaari zwingen, der eine Quasi-Unabhängigkeit der südserbischen Provinz vorsieht. Um die Phantasie von einem "multiethnischen" Kosovo zu verwirklichen, der dem Zugriff der großserbischer Träume für immer entzogen werden soll, wirft Brüssel seine eigenen Grundsätze über Bord. So soll nach dem geltenden EU-Vertrag die Außenpolitik im Einklang mit den Grundsätzen der Uno-Charta stehen.

Daß aber der Ahtisaari-Vorschlag die Uno-Resolution 1244 von 1999 konterkariert, welche den Kosovo ausdrücklich der Souveränität Jugoslawiens (Rechtsnachfolger ist Serbien) unterstellt, scheint niemanden zu stören. Überhaupt scheint sich Brüssel nicht im klaren darüber zu sein, daß eine Unabhängigkeit des Kosovo eine Kettenreaktion im südlichen Balkan, bis hin zu neuen blutigen Konflikten zur Folge haben könnte. Ob das aber im Sinne Europas ist, muß bezweifelt werden.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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