© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/07 16. Februar 2007

Frisch gepresst

Völkerbund. Noch rechtzeitig zum 70. Jahrestag des deutschen Beitritts zum Genfer Völkerbund (1926) ist Joachim Wintzers immerhin schon 1998 abgeschlossene Heidelberger Dissertation über "Deutschland und der Völkerbund 1918-1926" erschienen (Schöningh Verlag, Paderborn 2006, 634 Seiten, gebunden, 98 Euro). Das umfangreiche Werk rekonstruiert penibel aus den Akten des Auswärtigen Amtes die verschlungenen Wege, die 1925 zum Locarno-Vertrag führten, der schließlich die Türen nach Genf öffnete. Insoweit bietet Wintzer ein überaus detailliertes Stück Diplomatiegeschichte. Die allerdings kaum einmal den Boden der Realgeschichte berührt, denn hier vergißt der Leser über weite Strecken, daß der Völkerbund ein Instrument der Sieger und integraler Bestandteil des Versailler Vertrages war. Oberschlesien, Danzig, der "Korridor" und die Annexion des Memelgebietes - "Probleme", die durchaus in die Kompetenz des Völkerbundes gehörten und bei denen die Genfer Organe sich als "willige Vollstrecker" der französischen Hegemonialpolitik erwiesen -, kommen daher in dieser wahrhaft diplomatischen Reduktion deutscher Außenpolitik bestenfalls am Rande vor.

 

Verfassungsschutz. Bei einem Büchlein, das über "Deutsche Sicherheitsstrukturen im 21. Jahrhundert" handelt, erwartet man eigentlich weltpolitische Betrachtungen. Tatsächlich, so verrät der Bonner Doktorand Lars Normann im Untertitel, geht es aber um die "Streitbare Demokratie und ihre institutionelle Umsetzung durch den Verfassungsschutz" (Grin Verlag, München 2006, 139 Seiten, broschiert, 49,90 Euro). Normann gibt einen historischen Rückblick auf die Geschichte des bundesdeutschen Verfassungsschutzes, parallel zur verfassungsrechtlich seit dem KPD-Urteil sich herausbildenden, in den Berufsverboten der siebziger Jahre mündenden Konzeption der "streitbaren Demokratie". Anhand einer ein Jahr vor dem 11. September 2001 beginnenden Zeitungsanalyse widmet sich Normann ausführlich den neuen "islamistischen" Herausforderungen des Verfassungsschutzes, der sich lange nicht aus den innenpolitischen Fixierungen des Kalten Krieges lösen konnte. Daß Normann dabei auch VS-Kritiker wie Josef Schüßlburner zu Worte kommen läßt, fällt positiv auf, wenn auch die Inhaltsreferate hier wie bei den "Diskurshäuptlingen" Eckhard Jesse und Claus Leggewie mehr als einmal die Klarheit einer juristischen Feststellung des "Sachverhalts" vermissen lassen.


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