© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/07 16. Februar 2007

Illegale Rauschgiftplantagen: Die Polizei bittet die Bürger um Mithilfe
Kampf gegen Windmühlen
Curd-Torsten Weick

Der staatliche Kampf gegen sie scheint aussichtslos. Ja, er gleicht dem Kampf gegen Windmühlen. Denn die teils computergesteuerten, videoüberwachten und exakt klimatisierten Anlagen können überall sein. In Scheunen, entlegenen Lager- oder Gewerbehallen und stillgelegten Gasthäusern auf dem Lande, oder in einem der vielen vergessenen Winkel der Großstadt.

Wenn es um die Suche nach illegalen Rauschgiftplantagen geht, steht die Polizei vor einem schier unlösbaren Problem. Die Zahl der Plantagen ist in Deutschland in den letzten Jahren enorm angestiegen und gar im Begriff, dem Import von Cannabis den Rang abzulaufen. Deren Aufhebung aber wird immer schwieriger. Denn die professionellen Betreiber der Cannabis-Fabriken arbeiten immer geschickter und sind kaum noch aufzuspüren.

Dies hat nun auch die Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim schmerzhaft erkennen müssen und bittet in ihrer Not die Bevölkerung um Amtshilfe im Kampf gegen die illegalen "Cannabis-Indoor-Plantagen".

Im grenznahen Emsland ist die Lage besonders prekär

Gerade im grenznahen Emsland und der Grafschaft Bentheim ist die Lage besonders prekär. Denn nach Erkenntnissen der Polizei versuchen die Täter dem zunehmenden Fahndungsdruck der Polizei in den Niederlanden zu entgehen. Auch dort blühte in den vergangenen Jahren der illegal betriebene Hanfanbau, dem die holländischen Strafverfolgungsbehörden nun aber erfolgreich Paroli bieten. Jetzt spricht die Polizeiinspektion von einem Verdrängungseffekt und betont: "In den letzten Jahren haben vorzugsweise niederländische Banden damit begonnen, das angeeignete Knowhow und Equipment für den Rauschgiftanbau nach Deutschland zu bringen und dort Handlanger für sich arbeiten zu lassen." Und der Handlanger gibt es viele. Denn die Gewinnspannen sind enorm. Ebenso die Nachfrage nach Cannabis. Diese steigt seit Jahren - besonders bei Jugendlichen - kontinuierlich. Haschisch und Marihuana sind mit über vier Millionen Konsumenten in Deutschland längst zu Volksdrogen geworden.

Angaben des Magazins PM zufolge hat sich die Zahl der Cannabis-Konsumenten in den letzten zehn Jahren in Deutschland um insgesamt 70 Prozent erhöht, bei den 18- bis 29jährigen sogar um 170 Prozent. Zahlen, die schockieren - jedoch nicht immer hundertprozentig verifizierbar sind. Nichtsdestotrotz schlägt der Drogenexperte der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), Rolf Hüllinghorst, Alarm und fordert von der Politik in punkto Prävention, Therapieforschung und Therapie eine "ernsthafte, nationale Anstrengung". Doch diese scheint fern.

Weiter könnte da schon die britische Regierung im Rahmen ihres Programms zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen sein. Deren Gesundheitsexperten planen, so ein Bericht der Boulevardzeitung Sun, eine Anti-Drogen-Impfung für Babies. Diese soll den Nachwuchs gegen Suchtfaktoren wie Heroin oder Tabak immunisieren. Doch dies ist noch in der Entwicklungsphase und Zukunftsmusik.

Auf "starke Gerüche von unbekannten Stoffen" achten

Soweit ist man in Deutschland noch nicht. Auch deshalb hat die Polizei im Emsland und der Grafschaft Bentheim ihre "Bekämpfungsinitiative" ergriffen. Nun sollen mittels verstärkter Fahndungsstreifen und mit Unterstützung der Bevölkerung die illegalen Rauschgiftplantagen ermittelt werden: angeblich "leere Objekte, die zu gewerblich unüblichen Zeiten" genutzt werden. Objekte, die "gegen Einsicht besonders geschützt und abgedichtet" sind. Objekte mit unüblich starken Sicherheitsvorkehrungen und nur sehr geringem - niederländischen - Besucherverkehr. Ferner soll der Bürger auch auf "starke Gerüche von unbekannten Stoffen", Cannabisgeruch, auf "eingebaute Abluftanlagen mit Geruchsfilter" sowie auf "Geräusche wie das Brummen von Motoren, Ventilatoren oder Generatoren" achten.

Gesagt, getan, dachte sich dann wohl ein Bürger in der Umgebung von Göttingen und gab der Polizei einen Tip. Hatte er doch beobachtet, daß aus einem Kellerraum ein helles Licht schien, welches anscheinend über eine Zeitschaltuhr gesteuert wurde.

Beim Blick von außen in den Keller konnte der Zeuge dann einen Schrank erkennen, in dem eine helle Lampe brannte, und auch für Stromzufuhr war gesorgt. Der wurde kurzerhand vom Nachbarkeller "geborgt". Darüber hinaus waren alle Türen mit Klebeband verklebt. Ein Lüfter versorgte den Raum mit frischer Luft.

"Der clevere Zeuge", so die Polizeidirektion Göttingen anerkennend, "kombinierte sofort: Hier wird wahrscheinlich illegal Hanf angebaut!" Er verständigte die Polizei. Die erschien mit ihrer Rauschgiftspürhündin Lina und sah in das verdutzte Gesicht des 20jährigen "Gärtners".

Aufhebung einer Cannabis-Plantage in Hamburg: Computergesteuerte Bewässerung und Beleuchtung


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