© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/07 23. Februar 2007

Bahn frei für berufstätige Mütter
Familienpolitik: Mit dem geplanten Ausbau von Betreuungsplätzen für Kleinkinder orientiert sich die Union an der DDR-Gesellschaftspolitik
Paul Rosen

Wieder streitet die Union. Und erneut geht es um eine zentrale Frage des Staates: Wie halten wir es mit den Familien? Der modernistische Flügel in der Union hat die Antwort parat: Familienministerin Ursula von der Leyen (siehe auch den Artikel auf Seite 7) will die Zahl der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren bis 2013 bundesweit auf 750.000 erhöhen und damit verdreifachen. Was nach Auffassung der Familienpolitikerin als fortschrittliche Politik daherkommt, ist in Wirklichkeit eine Renaissance sozialistischer Strukturen aus der DDR, deren Gesellschaftspolitik für viele in der Merkel-CDU offenbar Vorbildcharakter hat.

Schon bei der Einführung des Elterngeldes war deutlich geworden, wohin die Reise der Union gehen soll. Die berufstätige Frau steht im Vordergrund. Wichtig ist allein die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der sich alles andere unterordnen soll. Krasser ausgedrückt: Die Frauen sollen, so wie es früher in der DDR war, zur Arbeit angehalten werden. Der Mensch verwirklicht sich durch nichtselbständige Tätigkeit in Werkshallen, Büros, an Aldi-Kassen oder selbst in Putzkolonnen. Andere Lebensvorstellungen, etwa die der Hausfrau und Mutter, kommen im Bild der CDU allenfalls am Rande vor. Solche Ideen gelten als ländlich-konservativ, von gestern.

Irgendwie ist von der Leyen aber auch konsequent. Das Lohndumping der letzten Jahre, das Aushöhlen von Tarifverträgen und die wachsende Unsicherheit der Arbeitsplätze haben dazu geführt, daß viele Familien mit nur einem Gehalt nicht mehr über die Runden kommen und der Ehepartner gezwungen ist, eine Arbeit aufzunehmen. Sonst würde die Familie in existentielle Nöte geraten, vielleicht die Miete nicht mehr bezahlen können. Wer in dieser Situation Hunderttausende von Krippenplätzen für Kleinkinder einrichtet, schafft allerdings die Grundlage für kapitalistische Strukturen, in denen zwei Personen nur noch das verdienen, was früher einer nach Hause getragen hat. Familienpolitik und vor allem eine Politik, die auf eine Erhöhung der Geburtenziffern aus ist, müßte jedoch woanders ansetzen: Mietzuschüsse oder gesetzliche Miet­obergrenzen wären ein Thema, Steuererleichterungen wie das Familiensplitting ein anderes. Auch zinslose Familienkredite, die durch die Geburt weiterer Kinder getilgt werden, dürfen kein Tabu mehr sein. Solche Kredite gab es übrigens auch in der DDR. Diese Schulden waren mit der Geburt des dritten Kindes getilgt.

Statt dessen versucht von der Leyen, die in der CDU längst die Rolle der emanzipatorisch eingestellten ehemaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth übernommen hat, die Probleme der Familien nur über den Arbeitsmarkt zu lösen, dem neue Kräfte zugeführt werden sollen: Frauen mit kleinen Kindern. Der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber, der neuer CSU-Chef werden will, warnte von der Leyen bereits: "Die CSU betrachtet die Familienpolitik nicht als Unterabteilung der Arbeitsmarktpolitik." CSU-Generalsekretär Markus Söder warnte davor, das "konservative Tafelsilber" der Union zu verscherbeln.

An Hausfrauen wird gar nicht mehr gedacht

Auch die stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ilse Falk (CDU) warnte: "Wenn der Eindruck entsteht, daß Hausfrauen als Rabenmütter abgestempelt werden oder die Bedeutung der Mutterrolle verlorengeht, ist das ein Problem." Genau das ist der Punkt. Die junge CDU-Abgeordnete Katherina Reiche macht das deutlich: "Die CDU muß akzeptieren, daß die meisten jungen Paare Arbeit und Familie wollen." An Hausfrauen und nicht berufstätige Mutter wird gar nicht mehr gedacht.

Den Parteistrategen geht es besonders um junge Akademikerinnen, die die CDU als Wählerinnen gewinnen will. Dabei hat gerade die gut gebildete Schicht der Deutschen besonders wenig Kinder. Jede zweite Akademikerin bleibt kinderlos. Staatliche Krippenplätze werden in diesem Segment kaum gebraucht, da sich diese Familien private Kinderbetreuung kaufen können.

Ob den Familien mit weniger Einkommen durch neue Krippenplätze mehr geholfen wird als durch andere Maßnahmen, bleibt fraglich und sollte eingehend untersucht werden, ehe drei Milliarden Euro in eine möglicherweise fragwürdige Maßnahme investiert werden. Denn zur Erhöhung der Geburtenrate tragen mehr Krippenplätze überhaupt nichts bei. In Deutschland gibt es bei Krippenplätzen ein erhebliches Ost-West-Gefälle. Im Westen waren und sind solche Einrichtungen nicht weit verbreitet. Deshalb will von der Leyen auch ihr Programm starten. Daß es sich um Ideologie handelt, wird spätestens daran deutlich, daß die Familienministerin für diese Art Programme gar nicht zuständig ist. Seit der Föderalismusreform ist das Ländersache. Von der Leyen spielt offen mit dem Verfassungsbruch.

Aber man sollte die Ergebnisse aus neuen Ländern nicht ignorieren. In Sachsen etwa stehen für 42 Prozent der Kleinkinder Krippenplätze zur Verfügung. "Das hat aber nicht dazu geführt, daß die Geburtenrate steigt", stellt Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) fest. Wenn also die Krippenplätze ein demographisch untaugliches Mittel sind, dann sollte man die Finger davon lassen.


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