© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/07 23. Februar 2007

Der Schatz an seiner Seite
Ein Relikt ihrer Garde: Zum 75. Geburtstag der Schauspielerin Elizabeth Taylor
Werner Olles

Da sind zum einen die vielen Gesichter der Elizabeth Taylor: Ein einsames Showgirl in Las Vegas in "The Only Game in Town" (Das einzige Spiel in der Stadt, 1970), in "Butterfield 8" (Telefon Butterfield 8, 1960) ist sie eine Art Modell und Gelegenheits-Callgirl, in "Secret Ceremony" (Die Frau aus dem Nichts, 1968) eine Prostituierte, mit der es rapide bergab geht. In "Hammersmith is out" (1972) serviert sie Essen in einer Raststätte an der Straße, in "Raintree Country" (Das Land des Regenbaums, 1957) hält sie Montgomery Clift als gequälte Ränkeschmiedin von seiner Suche nach dem wahren Sinn des Lebens ab, und in "Reflections in a Golden Eye" (Spiegelbild im goldenen Auge, 1967) zieht Marlon Brando das saubere Leben von Männern unter Männern gar der Gesellschaft und Ehe mit ihr, einer rassigen "Southern Belle", einer Südstaatenschönheit, vor.

Elizabeth Taylor, so schön und begehrenswert sie auch immer war, hatte es weder im Film noch im Leben leicht mit ihren Männern. Im Film benutzt Vetter Sebastian sie als Lockvogel für seine homosexuellen Abenteuer ("Suddenly Last Summer", Plötzlich im letzten Sommer, 1959) und denkt Paul New­man in "Cat on a Hot Tin Roof", (Die Katze auf dem heißen Blech­dach, 1958) als ihr Ehemann mehr an seinen toten Football-Kumpel als an sie, während Richard Burton in "The VIPs" (Hotel International, 1963) vor allem mit Geldverdienen beschäftigt und es Michael Caine in "X,Y and Zee" (X,Y und Zee, 1972) sogar aus dem Haus treibt.

Ob als Quälgeist, Kratzbürste, Hure, anschmiegsame Geliebte oder gedemütigte Ehefrau, immer ist die einzige Realität die Liebe eines bewundernden oder bewunderten Mannes, für die sie alles zu opfern bereit ist. Daß die Frauen, die sie darstellt, auch immer irgendwie abwesend wirken, hat nicht nur einen gewissen Reiz, sondern verweist auf einen tiefen metaphysischen Mangel, der sie dazu verurteilt, niemals richtig zur Erfüllung gelangen.

Die meisten Rollen fielen ihr geradezu in den Schoß

Ähnlich turbulent verlief auch ihr Leben: über ein halbes Dutzend Ehen - mit Richard Burton (1925-1984), der ihr Schicksal werden sollte, war sie sogar zweimal verheiratet, und mit ihm drehte sie auch ihre besten Filme -, Alkoholprobleme, Tablettensucht, Entziehungskuren, Krankheiten, Operationen und zahllose Diäten, über die sie witzigerweise ein Buch geschrieben hat ("Vom Dicksein, vom Dünnsein, vom Glücklichsein").

Elizabeth Taylor hatte auf der Leinwand und im Privatleben eine dramatische Zeit und dabei kaum etwas ausgelassen. Daß ihr Ruhm und Reichtum nicht den Kopf verdreht haben und sie sich einen trockenen Humor bewahrte, trotz all des Hollywood-Flitters um sie herum, zeigt sie auch als eine Kämpferin mit eisernem Willen, der übrigens die meisten ihrer Rollen geradezu in den Schoß fielen.

Geboren wurde sie am 27. Februar 1932 in London. Ihr Vater war Kunsthändler mit einem Büro im Beverly Hills Hotel, die Mutter, eine ehemalige Schauspielerin, hegte ehrgeizige Pläne für ihre Tochter. Als der Produzent Sam Marx 1943 für den eigentlich schon abgedrehten Lassie-Film "Lassie Come Home" (Heimweh, 1943) auf der Suche nach einem kleinen Mädchen mit englischem Akzent war, und Liz' Mutter sofort zusagte, war dies der Beginn einer beispiellosen Karriere. MGM wurde auf die blutjunge Schauspielerin aufmerksam, und die anpassungsfähige Taylor ließ sich von den Studiobossen und ihrer Mutter zu einem Star formen. Die Übergangsphase vom kleinen Mädchen zum kurvenreichen Teenager und schließlich zur leidenschaftlichen jungen Frau, unnahbar und gleichzeitig femme fatale, verlief nicht ohne Schwierigkeiten. Doch die Taylor meisterte dank der Studioschule auch dies.

Zwar durfte sie in den vierziger Jahre-Filmen durchaus eifrig flirten und leichtherzig ihren Sex ausspielen, zur richtigen Augenweide wurde sie jedoch erst in "Conspirator" (Verschwörer, 1950) als patriotische Ehefrau des für die Russen spionierenden Robert Taylor, der sich schließlich, verhängnisvoll hin- und hergerissen zwischen Liebe und Pflicht, selbst tötet.

Ein Jahr später drehte sie "A Place in the Sun" (Ein Platz an der Sonne), der zu ihren besten Filmen gehört. In einer der faszinierendsten Szenen des nach dem Welterfolg Theodore Dreisers "Eine amerikanische Tragödie" gedrehten Films beschreibt sie mit leiser, beinahe nur gehauchter Stimme die Schönheit des Sees, wie er aus dem frühen Morgennebel auftaucht. Sehr effektiv und glaubwürdig spielt sie das gute, romantische, amerikanische Mädchen, das Montgomery Clift liebt, während er von Shelley Winters als unterdrücktes Arbeitermädchen, das von ihm ein Kind erwartet, verfolgt wird.

Mit Männern hatte sie es im Film so schwer wie im Leben

Mit George Stevens' "Giants" (Giganten", 1956) avancierte die Taylor endgültig zum Superstar. Es ist ihre bis dahin reifste Darstellung. Sie spielt eine junge Frau aus Virginia, die sich in den dickköpfigen Herrscher einer texanischen Familiendynastie (Rock Hudson) verliebt und ihm in seine Heimat folgt. Doch hat er sich mit ihr eine ebenso sture Partnerin ausgesucht, die sich der texanischen Lebensweise absolut nicht anpassen will, ihn ständig herausfordert und sich schließlich mit List und Ausdauer auch durchsetzt. Nebenbei ist sie die unerreichbare Geliebte in den Träumen des Rancharbeiters Jett Rink (James Dean in seiner letzten Rolle). Die Taylor spielt dies alles vollendet, mit einem Flair und einer Intensität, die ihre früheren Arbeiten bei weitem übertreffen. Und sie ist dabei von einer geradezu funkensprühenden Schönheit.

Im Hollywood der fünfziger Jahre bedeutet Homosexualität nichts anderes, als entweder verrückt zu werden oder sich am Ende zu töten. In den Tennessee-Williams-Dramen "Suddenly Last Summer" und "Cat on a Hot Tin Roof" geht es genau darum. Paul Newman, der Ehemann der "Katze", hält am flüchtigen, süßen Vogel Jugend fest und ist ganz der Vergangenheit, der Erinnerung an seinen Freund Skipper verhaftet, für dessen Selbstmord er sich verantwortlich fühlt, während die Taylor alles tut, damit er in ihr Bett zurückkehrt. Ihre Maggie ist eine temperamentvolle, liebenswerte und offenherzige Frau, doch selbst als sie sich keuchend an ihn klammert, bleibt er kühl und abweisend. Newman muß erst die entscheidende Auseinandersetzung mit seinem todkranken Vater bestehen, bis er endlich wahrnimmt, welchen Schatz er da an seiner Seite hat. Die Taylor als die Männer-Verehrerin schlechthin hat ihren sexbetontesten Moment, als sie sich an ihn kuschelt, ihn schmeichelnd umgurrt, wie gut er duftet und wie glatt seine Haut sei. Sie bringt das auf ihre schwülste Art zum Ausdruck, und ihre nicht gewürdigte Schönheit wirkt dabei wahrlich sensationell.

Für "Butterfield 8" erhielt sie den Oscar. Der Film ist ein Rührstück über eine Hure, die sich nach Ehrbarkeit sehnt, und eigentlich gefiel ihr auch die Rolle nicht. Dennoch spielt sie die Gloria, die an unerwiderter Liebe stirbt, mit einer umwerfenden Ausstrahlung. Genauso stiehlt sie auch dem antiken Skandalweib "Cleopatra", der wohl größten femme fatale der Geschichte, die Show. Perfekt zurechtgemacht schreitet sie vom Bett ins Bad und von Cäsar zu Marcus Antonius, daß ihre historische Vorgängerin vermutlich vor Neid gestorben wäre.

Verführerisch in "The Sandpiper" (... die alles begehren, 1965), furios in "Who's Afraid of Virginia Woolf?" (Wer hat Angst vor Virginia Woolf, 1966) und von üppiger "Southern Belle"-Sinnlichkeit in "Reflections in a Golden Eye", ist die Taylor eine der letzten ihrer Garde, ein Relikt des alten Hollywood, das längst verschwunden ist. Am kommenden Dienstag feiert sie ihren 75. Geburtstag.

Foto: Elizabeth Taylor mit Paul Newman in dem Film "Die Katze auf dem heißen Blechdach" (1958)


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