© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

Oscar-Verleihung
Der deutsche Film ist wieder da
Dieter Stein

Ein deutscher Film mit einem zeitgeschichtlichen Thema bekommt in Hollywood den Oscar für den besten fremdsprachigen Film verliehen, und – der Film handelt nicht vom Dritten Reich. Das ist doch eine Nachricht. Schlöndorffs Verfilmung des Grass-Romans „Die Blechtrommel“ (Oscar 1980) und Caroline Links „Nirgendwo in Afrika“ nach Stefanie Zweigs gleichnamigem Roman (Oscar 2003) behandelten dieses „deutsche Thema“. Nun gelang dem 33jährigen Florian Henckel von Donnersmarck mit seinem Filmdebüt dieser sensationelle Durchbruch. „Das Leben der anderen“ holte die zweite deutsche Diktatur aus dem Genre des Klamauks zurück, in das sie Filme wie „Sonnenallee“ und „Good bye Lenin!“ geführt hatten.

Donnersmarck gelang es in seinem Film, insbesondere dem nachgeborenen oder – wie in Hollywood – ausländischen Publikum eine Ahnung des subtilen Terrors zu vermitteln, den der Stasi-Staat DDR auf den Einzelnen ausübte. Der Regisseur mußte sich auch gegen eine Medienkampagne aus der linken Ecke zur Wehr setzen, weil er gewagt hatte, das Totalitäre an der DDR und den Opportunismus insbesondere im Kulturapparat zur Kenntlichkeit zu entstellen. Eine machtvolle Lobby der DDR-Verharmloser zeigte hier ihre Präsenz. Henry Hübchen, Parade-Repräsentant des korrumpierten DDR-Kulturbetriebes, griff Donnersmarck deshalb mehrfach scharf an, das Ex-FDJ-Blatt Junge Welt beschreibt den Regisseur beleidigt als „selbstherrlich-schmierigen Typ“ – kurz: Hier hat einer ins Schwarze getroffen.

Der deutsche Film ist wieder im Kommen. Dieser Oscar ist ein Symbol hierfür. Der Mut, zeitgeschichtliche Themen jenseits der ausgetretenen Trampelpfade anzupacken, nimmt zu. Die staatliche Filmförderung hat bislang allzu Politisch-Korrektes bei der Geldvergabe vorgezogen. In letzter Zeit begannen die Lockerungsübungen: „So weit die Füße tragen“ (2001), „Das Wunder von Bern“ (2003), „Der Untergang“ (2004), „Stauffenberg“ (2004), „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ (2005), mit deutlichen Abstrichen „Dresden“ (2006) – alles Beispiele für erfolgreiche und überwiegend gute Umsetzungen zeitgeschichtlicher Filmstoffe aus Deutschland.

Deutsche Filmproduktionen erreichten an heimischen Kinos 2006 mit 25,8 Prozent den höchsten Anteil seit 1991. Damit dominiert Hollywood nicht mehr in dem Maße wie in der Vergangenheit, auch wenn die Kassenmagneten in Kalifornien produziert werden und nach wie vor ästhetisch den Takt vorgeben.

Junge Regisseure und Produzenten treten zunehmend selbstbewußt aus dem Schatten einer Generation heraus, die ab 1968 entweder durch langweiliges Problemkino oder „Supernasen“-Humor aufgefallen ist. Klamauk („Schuh des Manitu“) ist sicher immer noch Hauptkassenschlager. Dennoch unterstreicht der an diesem Freitag im Fernsehen startende Zweiteiler „Die Flucht“ einen Trend. Erstmals versucht ein großer Film die Tragödie des untergegangenen deutschen Ostens zu thematisieren. Trotz Schwächen: Man muß es begrüßen, daß sich im Gefolge der Buch-Bestseller „Im Krebsgang“ (Günter Grass) und „Der Brand“ (Jörg Friedrich) nun auch Filmemacher einer Seite unserer Geschichte zuwenden, die bislang überwiegend im kollektiven Unterbewußten schlummerte.


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