© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

Schicksalsfragen
von Heinz Klaus Mertes

Fast ist es wie im Kalten Krieg: Die US-Pläne, in Polen und Tschechien Raketenabwehrsysteme zu installieren, lassen hierzulande die Anti-Reflexe der Nachrüstungsdebatte in den 1980er Jahren hochkommen. Obwohl von der anderen Seite die Bedrohung ausging – mit sowjetischen Atomraketen vor der Tür. Die geplanten Systeme jetzt sind keine Angriffswaffen. Sie sind ein Raketenschild – gegen eine irgendwann denkbare Bedrohung aus Iran oder anderen Schurkenstaaten, die ihren Atomehrgeiz mit Raketenreichweite koppeln könnten.

Nun wäre es naiv anzunehmen, daß ein solcher Raketenschild nicht bei Bedarf auch nach Osten gewendet werden könnte – in Richtung der wieder hochrüstenden atomaren Supermacht Rußland, der einzigen auf dem europäischen Kontinent. Putins Paukenschlag in München hallt nach. Man habe die Fähigkeit, solche Defensivsysteme zu überwinden, polterte er. Wozu will er das eigentlich können?

Die Definition der deutschen Interessen in diesem Zusammenhang bleibt uns die Politik wieder einmal schuldig, wie so oft, wenn es um langfristige Sicherheitsstrategien geht.

Polen und Tschechien sagen Ja zu dem Raketenschirm. Nun ja, sie sind näher am russischen Koloß und wollen nicht wieder zur hegemonialen Einflußsphäre werden. Vielleicht denken sie deshalb historisch etwas langfristiger, sehen schärfer. Bismarcks Ceterum censeo war übrigens: Rußland sei Deutschlands und Europas Schicksal. Und dabei dachte er nicht einmal an die Abhängigkeit in Sachen Energie.


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