© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Bemerkenswerte Parallelen
Andreas Mölzer

Mit dem Amtsantritt des neuen Generalsekretärs Ban Ki Moon bekam die Diskussion über eine Reformierung der Uno wieder Nahrung. Mehr als sechs Jahrzehnte nach deren Gründung soll die „Weltorganisation“ an die Erfordernisse der heutigen Zeit angepaßt werden. Insbesondere der Sicherheitsrat, in dem die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs mit einem Vetorecht vertreten sind, soll verändert werden. Als Kandidat für höhere Weihen wird in diesem Zusammenhang immer wieder die EU genannt.

Tatsächlich spricht einiges dafür, der EU einen ständigen Sitz in diesem Gremium einzuräumen. So könnte auf diese Weise den unzähligen Absichtserklärungen der Brüsseler Polit-Nomenklatura, wonach die EU eine weltpolitische Rolle spielen soll, Leben eingehaucht werden. Bislang waren in Brüssel wenig Vorschläge in diese Richtung zu vernehmen, was wohl auch damit zusammenhängt, daß zuerst geklärt werden müßte, ob Frankreich und Großbritannien ihre ständigen Sitze behalten können. Daß Paris und London freiwillig darauf verzichten, ist genauso unwahrscheinlich wie die Vorstellung, daß Europa künftig mit drei ständigen Mitgliedern in diesem Gremium vertreten ist.

Überhaupt sind zwischen UN und EU bemerkenswerte Parallelen festzustellen. Beide wurde gegründeten, um nach den schrecklichen Erfahrungen zweier Weltkriege den Frieden zu gewährleisten. In Europa konnte dieses Ziel erreicht werden, sieht man von den Zerfallskriegen im ehemaligen Jugoslawien in den neunziger Jahren ab. Anders verhält es sich bei der Uno. Auf der einen Seite brachten deren Blauhelm-Einsätze durchaus greifbare Ergebnisse, auf der anderen Seite konnten aber weder der Völkermord an den Tutsis in Ruanda 1994 noch der Angriffskrieg der USA gegen den Irak 2003 verhindert werden. Den Irak-Krieg konnte freilich auch die EU nicht verhindern, und ob die Uno in der Lage sein wird, einen weiteren völkerrechtswidrigen US-Angriff – diesmal auf den Iran – zu verhindern, darf bezweifelt werden.

Schließlich sind EU wie Uno auch Projekte der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs. Selbst wenn es heute in Brüssel niemand zugeben will: Als in den Jahren nach dem Krieg Pläne für die europäische Integration entworfen wurden, ging es insbesondere darum, die „deutsche Gefahr“ einzudämmen. Wie groß die Furcht vor einem „starken Deutschland“ bis in die jüngere Vergangenheit war, zeigte sich bei der Widervereinigung. Auf Drängen des damalige französischen Präsidenten François Mitterrand wurde die „Europäische Währungsunion“, die Einführung des Euro an Stelle der D-Mark, durchgesetzt. Anzumerken ist, daß dies nicht möglich gewesen wäre, wenn der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl nicht bereitwillig mitgespielt hätte.

Während die europäische Integration nur bei genauerem Hinsehen als Siegerprojekt wahrgenommen werden kann, findet sich in der Charta der Vereinten Nationen bis heute die sogenannte Feindstaatenklausel. Zwar wird immer argumentiert, daß die Bestimmung des Artikels 53 Absatz 2 durch die Aufnahme Deutschlands und Japans in die Uno sowie durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag obsolet geworden sei, doch bleibt die Frage offen, warum die Feindstaatenklausel nicht gestrichen wurde. Ob aber Siegerprojekte im 21. Jahrhundert eine Zukunft haben, muß bezweifelt werden.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Zur Zeit” und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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