© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

„Gefahr der Zuwanderung in das Sozialsystem“
Sozialpolitik: Ein unbürokratisches Grundeinkommen als Alternative zu Hartz IV hat wahrscheinlich wenig Chancen
Fabian Schmidt-Ahmad

Während die Hartz-Reformen geradezu sinnbildlich ihren moralischen Bankrott in den kriminellen Machenschaften ihres Namensgebers erlebten, wird das Konzept eines Grundeinkommens als mögliche Alternative in Wissenschaft und Parteigremien zunehmend ernsthaft diskutiert. Doch fürs erste erhält diese Alternative massiven Gegenwind vom einflußreichen Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW).

Kritisiert wird dabei vom IW die Abkehr vom Leistungsgedanken, wie es wahrscheinlich am radikalsten der Unternehmer Götz Werner fordert (JF 46/06). Öffentliche Zuwendungen sollen nach Ansicht des Chefs der Drogeriemarkt-Kette „dm“ unabhängig von der individuellen Arbeitsbereitschaft prinzipiell unbürokratisch ausgezahlt werden – in einer Höhe, die deutlich über dem bisherigen Hartz IV bzw. Sozialhilfesatz liegt. Das sei unbezahlbar, urteilt das arbeitgebernahe IW.

Bürgergeld in Form einer negativen Einkommensteuer

So würde ein Grundeinkommen für jeden Erwachsenen von 1.500 Euro monatlich zwischen 530 Million und 1,2 Billionen Euro im Jahr kosten. Das wären im Extremfall „mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts und mehr als das Doppelte sämtlicher Steuereinnahmen“. Auch das Grundeinkommenskonzept der Initiative Solidarisches Bürgergeld (ISB), das unter anderem vom thüringischen Ministerpräsidenten Dietmar Althaus (CDU) unterstützt wird, betrachtet das IW skeptisch.

Das ISB sieht für jeden Bürger ab 14 Jahren den Anspruch auf monatlich 800 Euro brutto vor. In diesem Betrag ist eine „Gesundheitsprämie“ von pauschal 200 Euro für eine einfache Kranken- und Pflegeversicherung ebenso enthalten wie in den monatlich 500 Euro, die Eltern für jedes Kind bis 14 Jahren erhalten. Jedes zusätzliche Einkommen wird entweder mit 50 Prozent oder, sofern der Bürger auf die Hälfte des Bürgergeldes verzichtet, mit 25 Prozent versteuert. Erst ab einem Monatseinkommen von 1.600 Euro entsteht eine Steuerschuld, bei darunter liegendem Einkommen zahlt das Finanzamt den Betrag direkt aus. In Teilen leitet sich dieses Konzept von der „negativen Einkommensteuer“ ab, einer Überlegung des US-Ökonomen Milton Friedman (JF 48/06) aus den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Eine Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Michael Opielka im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung schätzt die jährlichen Gesamtkosten des ISB-Konzeptes auf rund 600 Milliarden Euro. Damit liegt der Betrag zwar unter den etwa 735 Milliarden Euro, die gegenwärtig für das Sozialbudget aufgebracht werden, und ist somit theoretisch finanzierbar. Allerdings ist fraglich, wie genau die Kosten überhaupt kalkulierbar sind. Inwieweit die CDU-Mitglieder sich dennoch vom „solidarischen Bürgergeld“ überzeugen lassen, wird das neue Parteiprogramm der CDU zeigen. Zumindest die Grundsatzkommission äußerte sich bereits positiv.

Auch innerhalb von Linkspartei und Grünen wird das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert. Hier beruft man sich freilich nicht auf Friedman, sondern es stehen eher allgemeine Überlegungen zur Entkopplung von Kapitalzwang und Erwerbsarbeit oder individueller Selbstverwirklichung im Vordergrund.

Sozialtransferleistungen gebündelt vom Finanzamt

Diese Positionen sind in beiden Parteien allerdings sehr umstritten. Linkspartei-Vize Katja Kipping, Sprecherin des Netzwerkes Grundeinkommen, konnte sich in ihrer Partei – vor allem gegen Bedenken aus traditionellen Gewerkschaftskreisen – bislang nicht durchsetzen. Auch die Grünen-Führung steht alldem äußerst skeptisch gegenüber – zum Ärger von Opielka, der seit 26 Jahren Grünen-Mitglied ist und nun für die CDU die Studie anfertigte.

Das liberale Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) schlägt ein Grundeinkommen von 7.525 Euro im Jahr (625 Euro monatlich) für jeden Bundesbürger vor. Alle anderen Sozialleistungen werden abgeschafft. Unklar ist, ob der Krankenversicherungsbeitrag auch darin enthalten ist. „Wäre das der Fall, könnte mit dem Grundeinkommen das Existenzminimum nicht gesichert werden“, so das IW. Der Staat müßte dann sogar „noch draufsatteln“.

Ebenfalls für ungeklärt hält das IW die gesellschaftspolitischen Auswirkungen des Grundeinkommens. „Wem Freizeit über alles geht, der kann seinen Job an den Nagel hängen. Das wiederum wird der arbeitenden Bevölkerung kaum zu vermitteln sein“, befindet das IW. „Außerdem besteht die Gefahr der Zuwanderung in das Sozialsystem: Welchem Europäer kann schließlich der Zuzug nach Deutschland verwehrt werden?“ gibt das IW bezüglich der EU-Freizügigkeit zu bedenken.

Die FDP verfolgt daher mit ihrem „Liberalen Bürgergeld“ ein Modell des bisherigen, an Erwerbsarbeit orientierten Sozialsystems – erweitert um Elemente des Grundeinkommens. So sollen sämtliche bisher einzeln bemessenen Sozialtransferleistungen stärker pauschalisiert und gebündelt sowie direkt vom Finanzamt ausgezahlt werden. Allerdings geht man hier nach wie vor von einer erst zu prüfenden Bedürftigkeit des Bürgers aus. Auch knüpft das FDP-Konzept Sozialleistungen weiterhin an die Forderung, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Diese Forderung will wohl auch das IW aufrechterhalten.

Weitere Informationen im Internet:

IW-Studie in „iwd“ 6/07: www.iw-koeln.de

ISB: www.buergergeldportal.de

Netzwerk: www.grundeinkommen.de

HWWI-Konzept: www.hwwi.org

FDP-Bürgergeld: www.fdp-bundesverband.de/files/363/Abschlb-Buergergeld.pdf

Kritik: www.libertaere-fdp.de/?q=node/29


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