© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

CD: Metal
Heimatmusik
Jörg Fischer

Obwohl Finnland nicht einmal 0,1 Prozent der Weltbevölkerung stellt, ist Nokia mit einem globalen Marktanteil von über 32 Prozent der weltgrößte Mobiltelefonhersteller. Auch auf einem weniger beachtetem Feld ist das 5,3-Millionen-Land immer erfolgreicher: dem Export von Rockmusik der härteren Sorte.

Die in Monsterkostümen auftretende Gruppe Lordi ist sogar den Schlagermusik-Freunden in ganz Europa bekannt, denn die vier Herren mit Dame haben 2006 mit ihrem „Hard Rock Hallelujah“ den Eurovision Song Contest in Athen gewonnen. Die an der Sibelius-Akademie ausgebildeten Cellospieler von Apocalyptica zeigen der Welt, wie man mit klassischen Instrumenten Metal spielen kann HIM eroberten Mädchenherzen. Nightwish waren mit der Opernsängerin Tarja Turunen – die in Karlsruhe studiert hat – so erfolgreich, daß sie 2003 von Staatschefin Tarja Halonen zur Feier des finnischen Unabhängigkeitstages in den Präsidentenpalast eingeladen wurden.

Während die genannten meist englische Texte verwenden und Timo Rautiainen mit seinem Trio Niskalaukaus sogar zwei deutsche CDs eingespielt hat, gibt es finnische Gruppen, die auch in ihrer Muttersprache international beachtet werden. Das Quintett Moonsorrow kam 1995 auf die – inzwischen immer erfolgreichere – Idee, finnische Volksmusik mit Metal zu vereinen. Vergangenen Monat erschien mit „Viides Luku – Hävitetty“ (Fünftes Kapitel – Zerstört/Spikefarm Records) ihr neuestes und bislang bestes Album.

Obwohl es mit „Jäästä syntynyt/Varjojen virta“ (Aus Eis geboren/Schattenfluß) und „Tuleen ajettu maa“ (Ein ins Feuer getriebenes Land) nur zwei je fast halbstündige Stücke enthält und Moonsorrow noch ruhiger und melodischer geworden sind, kommt nie Langeweile auf. Die bombastischen Spannungsbögen können sich mit Monumentalwerken von Yes oder Pink Floyd aus den siebziger Jahren durchaus messen. Melancholische finnische Lyrik wie „Weit trägt der leise See das Lied einer anhaltenden Landschaft. Nicht einmal ein Blatt bewegt sich unter dem Tau. Die Kälte alleine schwimmt unter der Oberfläche. Wer zeigt einem Verlorenen den Weg, wenn die Zeit an ihr Ende geht“, läßt sich, wie dieser Auszug aus „Varjojen virta“ zeigt, leider nur schwer ins Deutsche übersetzen. Ihre epische und bombastische Musik entzieht sich einfachen Kategorisierungen: Harte Metal-Gitarren wechseln sich mit ruhigen, verträumten finnischen Folkloreklängen und symphonischen Passagen ab.

Moonsorrow-Tastenmann Henri Sorvali ist – wie viele finnische Musiker – noch in einer zweiten Band aktiv. Unter dem Pseudonym „Trollhorn“ hat er mit Finntroll inzwischen sechs CDs eingespielt. Die neueste, „Ur Jordens Djup“ (Aus der Tiefe der Erde), erscheint Ende März bei Spikefarm Records. Obwohl das Sextett seine harten Metal-Klänge seit seiner Gründung 1997 mit typisch finnischer Humppa-Musik (die sich aus dem Foxtrott entwickelte) mischt, ist der Gesang jedoch schwedisch. Auch der neue Sänger Mathias Lillmåns gehört der schwedischen Minderheit Finnlands an.

Musikalisch hat sich im Vergleich zur vorigen CD „Nattfödd“ (In der Nacht geboren/Spikefarm 2004) wenig geändert. Nach dem klassischen Intro „Gryning“ (Dämmerung) verschrecken zunächst „Sång“ (Lied) und „Korpens Saga“ (Krähen-Saga) mit ihrer 08/15-Black-Metal-Schlagseite zarte Gemüter. Doch bei den folgenden acht Titeln steigt der Humppa- und Volksmusikanteil wieder. „En Mäktig Här“ (Ein mächtiges Heer) würde sogar auf einer CD der „Humppa-Rentner“ Eläkeläiset nicht für Mißklänge sorgen. Das abschließende Instrumentalstück Kvällning (Der Abend) hätte auch auf die Finntroll-Akustikscheibe „Visor om Slutet“ (Lieder vom Ende/Spikefarm 2003) gepaßt.


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