© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

Ein Hauch von Gerechtigkeit
DVD: „Ein Fall für Harper“
Werner Olles

In den sechziger Jahren entdeckten Regisseure wie Jack Smight, Edward Dmytrik und Nunnally Johnson mit den Stilformen der „Schwarzen Serie“ auch deren vergessene Helden wieder. Nach dem Niedergang des „private eye“ in der Dekade zuvor wurde der Privatdetektiv als Filmheld nun wiedergeboren. Allerdings hatte er kaum noch Ähnlichkeit mit den klassischen Detektivgestalten eines Sam Spade, Philip Marlowe oder Mike Hammer, sieht man einmal davon ab, daß er – wie bisher – in den oberen Gesellschaftsklassen Tragödien von antikem Ausmaß aufdeckt, in die Abgründe einer durch und durch korrupten Welt blickt und in einem Geflecht aus Macht, Gewalt, Sex und Tod derjenige ist, der mit seiner Zähigkeit und Beharrlichkeit letzten Endes wenigstens einen Hauch von Gerechtigkeit walten läßt.

In Jack Smights Thriller „Harper“ (Ein Fall für Harper, 1965), der auf dem Kriminalroman „The Moving Target“ (1949) von Ross MacDonald basiert, spielt Paul Newman diesen Detektiv. Zwar heißt er im Buch eigentlich Lew Archer, doch bestand Newman auf Harper, weil seine bis dahin erfolgreichsten Filme „The Hustler“ (Haie der Großstadt, 1961) und „Hud“ (Der Wildeste unter tausend, 1963) mit H begannen.

Bereits in den ersten Szenen des Films tritt uns dieser Harper als einsamer und wortkarger Einzelgänger gegenüber, der seine Enttäuschung über das Leben mit einer Mischung aus Zynismus, Humor und jenem Fünkchen Hoffnung erträgt, das zum Überleben notwendig ist. Noch während der Vorspann läuft, sieht man ihn verknautscht und verkatert seinen Kopf unter den Wasserhahn halten. Als er sich einen Kaffee aufbrühen will und feststellt, daß nicht nur sein Kühlschrank leer ist, holt er mit angewidertem Gesichtsausdruck die Filtertüte vom Vortag aus dem Mülleimer. Newman zelebriert diese Rolle mit lakonischer Schicksalsergebenheit.

Harpers Auftrag ist die Suche nach einem verschwundenen Multimillionär, die ihn unter anderem in die Halbwelt von Los Angeles führt. Es ist ein komplizierter und scheinbar unlösbarer Fall und gefährlich zu alledem. In den einschlägigen Milieus herrschen mörderische Intrigen, Betrug, Bosheit und Lüge. Und Harper, der einsame Zyniker in diesem Dschungel aus Korruption, pathologischem Machthunger, Entführung, Erpressung und Mord, der immer noch seine Frau (Janet Leigh) liebt, obwohl die beiden schon seit Jahren geschieden sind, geht aus der ganzen Sache geschlagener, geschundener und lädierter denn je hervor. Zwar gelingt es ihm, die Zusammenhänge zu klären, aber letztlich muß er doch eine Niederlage hinnehmen.

Smights „Harper“ ist ein nahezu puristischer Film. Eine gelungene Mischung aus moralisch orientierter Gesellschaftskritik, vorsichtiger Psychologisierung und hartem Kriminalreißer. In Zeiten der hemmungslosen Übertreibungen durch die sogenannten Blockbuster darf man ihn ein kleines Juwel nennen. Die bei Warner Home Video erschienene DVD wartet zudem mit einem Audiokommentar des Drehbuchautors William Goldman auf, einem ausgewiesenen Spezialisten für Kino-Nostalgie mit modernem „touch“.


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