© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/07 09. März 2007

Auf den Spuren des Radikalenerlasses
Kampf gegen Rechts: Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern will Extremisten aus dem Staatsdienst fernhalten
Peter Freitag

Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), hat angeordnet, daß zukünftig die Bewerber um bestimmte Wahlämter in den Kommunen dieselben Voraussetzungen hinsichtlich ihrer Verfassungstreue erfüllen müssen wie Beamte. Konkret heißt das: Wer zum Bürgermeister, Ortsvorsteher oder zum örtlichen Feuerwehrchef gewählt werden möchte, muß für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten. In einem an Städte und Gemeinden gerichteten Ministerschreiben heißt es: "In diesem Zusammenhang wird darauf aufmerksam gemacht, daß ein Bewerber, der nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, ... nicht wählbar ist ..., da er eine Voraussetzung zur Ernennung zum Ehrenbeamten/Beamten auf Zeit nach dem Landesbeamtengesetz nicht erfüllt."

Daß Caffier dabei nicht unbedingt auf die Beseitigung etwaiger Fehlbesetzungen aus der Zeit der Regierungsbeteiligung der PDS abzielt, wird im folgenden deutlich: "Extremisten, und hier besonders die Rechtsextremisten der NPD, haben in jüngster Vergangenheit versucht, durch Bürgerinitiativen, deutschtümelnde Kulturarbeit oder Sportangebote Sympathisanten zu gewinnen." Deswegen halte er es "für dringend erforderlich, ein überzeugendes, rechtsstaatliches Signal gegen jedweden Extremismus, besonders aber gegen den von der NPD vertretenen Rechtsextremismus zu setzen", schreibt Caffier.

Der alarmierende Ton des Verfassungsministers legt nahe, es stehe eine kommunale Machtübernahme, zumindest aber die Unterwanderung des öffentlichen Lebens der Gemeinden durch die selbsternannte "nationale Opposition" bevor. Daß die NPD - da nicht verboten - auch an Wahlen teilnehmen darf und bei entsprechender Stimmenverteilung theoretisch auch einen demokratisch legitimierten Bürgermeister stellen könnte, ficht den Innenminster nicht an. Zur Feststellung der Nichteignung eines Bewerber auf eine (Wahl-)Beamtenstelle genüge es, "wenn eine Partei, wie dies bei der NPD der Fall ist, mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung unvereinbare Ziele verfolgt". Die NPD-Fraktion im Schweriner Landtag sprach von einem Eingriff in die Grundrechte, der an DDR-Zeiten erinnere, und kündigte an, juristisch gegen den Erlaß vorzugehen.

Daß an Beamte besondere Loyalitätsanforderungen gestellt werden (müssen), ist keineswegs ungewöhnlich; verwunderlich am Vorgehen der Landesregierung ist eher die Ausdehnung der Gesinnungsprüfung auf die Ebene der Ortsbrandmeister, die hier ausgerechnet "Amtswehrführer" heißen. Sowohl die Vorgehensweise des Schweriner Innenministers als auch der Anlaß für seinen Runderlaß erinnern an den im Volksmund "Radikalenerlaß" genannten Beschluß der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern vom 28. Januar 1972, mit dem die Beschäftigung links- oder rechtsextremer Personen im öffentlichen Dienst unterbunden werden sollte. Auch darin wurde unter anderem betont, daß Beamte verpflichtet seien, "sich aktiv innerhalb des Dienstes für die Erhaltung der Grundordnung einzusetzen". Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte dazu bereits Mitte siebziger Jahren festgestellt, daß der "Radikalenerlaß" eigentlich überflüssig, da lediglich "eine propagandistisch gemeinte Verdeutlichung geltenden Rechts" gewesen sei. Grundsätzlich war schon 1950 festgelegt worden, daß sich einer schweren Pflichtverletzung schuldig macht, wer als Beamter oder sonstiger Angehöriger des öffentlichen Dienstes an "Organisationen oder Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Staatsordnung teilnimmt".

Mit dem "Radikalenerlaß" wollte die damalige Bundesregierung aus SPD und FDP in erster Linie der Union den Wind aus den Segeln nehmen, die ein Verbot der DKP bzw. den Ausschluß aller Angehörigen dieser Partei aus dem Öffentlichen Dienst forderte. Eine solche Vorgehensweise erschien den um ihre neue Ostpolitik ringenden Koalitionären allerdings außen- wie innenpolitisch inopportun. Daher drangen die Sozialdemokraten beim Beschluß der Innenminster darauf, daß es keinen Automatismus gebe, sondern "jeder Einzelfall für sich geprüft und entschieden" werde. Dennoch beschlichen den damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner schon früh Zweifel an der Umsetzbarkeit des Beschlusses. So fragte er in einem Schreiben an seine Fraktionskollegen, was denn passiere, wenn beispielsweise ein DKP-Mitglied aus seiner Partei formal austrete, ohne jedoch seine Meinung zu ändern: "Wird dann eine Gesinnungsschnüffelei einsetzen?" Abschließend resümierte der So-zialdemokrat, er sehe keinen Sinn darin, "die freiheitliche Grundordnung durch einen ersten Schritt zu ihrer Beseitigung schützen zu wollen."

Ähnliche Skrupel scheinen im aktuellen Fall, bei dem es vorrangig gegen NPD-Angehörige geht und auf eine strikte Einzelfallentscheidung offensichtlich kein gesteigerter Wert mehr gelegt wird, die gemeinsam mit der CDU regierenden Genossen in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr zu haben.

Unterdessen erwägen Brandenburg und Sachsen-Anhalt eine strafrechtliche Variante im Kampf gegen den Rechtsextremismus. So sollen Gewaltstraftaten mit fremdenfeindlichem oder rassistischem Hintergrund zukünftig als Tatbestand unter dem Begriff der "Haß-Kriminalität" zusammengefaßt und dann von vornherein als "schwere Körperverletzung" mit härteren Strafen geahndet werden. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf wollen die Justizministerinnen beider Länder, Beate Blechinger (CDU) und Angela Kolb (SPD), ausarbeiten und im Bundesrat zur Beratung vorstellen.

Laut MDR werde seitens der Magdeburger Justizministerin erwogen, Mindeststrafmaße für solche Taten gesetzlich festzulegen, "die sich gegen Leben und Gesundheit von Bürgern mit anderer Hautfarbe oder politischen Anschauungen richten", sagte Kolb. Damit solle auch dem Vorurteil entgegengewirkt werden, die Justiz sei "auf dem rechten Auge blind".

Foto: Innenminister Lorenz Caffier (CDU): Warnung von "deutschtümelnder Kulturarbeit"


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