© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/07 09. März 2007

Auf verlorenem Posten
Hamburg: Nach dem Desaster bei der Kür eines Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl 2008 geht die SPD in der Hansestadt schweren Zeiten entgegen
Arnold Steiner

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, lautet eine alte Volksweisheit, und der Dritte heißt in Hamburg momentan Ole von Beust. Der CDU und ihrem Ersten Bürgermeister dürfte gefallen, was im Lager ihres schärfsten Konkurrenten derzeit passiert.

Schon länger gibt es in der SPD Streit um den Spitzenkandidaten, der bei der Bürgerschaftswahl im kommenden Jahr gegen Ole von Beust antreten soll. Alles hätte allerdings gut werden können, als auf dem Parteitag im Frühling vergangenen Jahres nach langem parteiinternen Hin und Her endlich der Landesvorsitzende Mathias Petersen zum Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl gekürt wurde. Zu diesem Zeitpunkt konnte niemand ahnen, daß die internen Machtkämpfe um die Spitzenkandidatur nur den Auftakt zu einer beispiellosen Selbstdemontage bildeten, von der sich die in der Hansestadt traditionell sehr starke SPD so schnell nicht wieder erholen dürfte.

Statt sich nach dem Parteitag geeint auf die Wahl vorzubereiten, meldete die stellvertretende Landesvorsitzende Dorothee Stapelfeldt eigene Ansprüche auf eine Kandidatur an. Nach vergeblichen Lösungsversuchen der Parteispitze sollte Ende Februar eine Mitgliederbefragung die endgültige Entscheidung bringen. Was jedoch statt der Wahl des Spitzenkandidaten am Wahlabend geschah, stürzte die SPD Hamburg in genau die Krise, die gerade abgewendet werde sollte. Anstelle eines Wahlergebnisses mußte ein sichtlich konsternierter Mathias Petersen den wartenden Genossen und Journalisten bekannt geben, daß aus einer verschlossenen Urne 1.000 Briefwahlstimmen verschwunden waren und daher die Wahl ergebnislos abgebrochen werden mußte.

Was juristisch nur einen Diebstahl geringwertiger Sachen darstellt, ist für die SPD eine Katastrophe. Der für das Wochenende anberaumte Parteitag mußte einer Krisensitzung weichen, zu der eigens SPD-Generalsekretär Hubertus Heil aus Berlin angereist war, um größeren Schaden abzuwenden. Nach achtstündiger Nachtsitzung gaben Petersen und Stapelfeld bekannt, daß der 24köpfige Landesvorstand die gesamte politische Verantwortung übernehme und geschlossen zurücktrete. Nun steht die SPD nicht nur ohne Spitzenkandidaten, sondern auch ohne Landesvorsitzenden dar. Auf einem für den 24. März anberaumten Parteitag muß die SPD zwangsläufig beide Positionen neu besetzen. Dabei muß es ihr gelingen, Kandidaten zu finden, die in der Lage sind, die zerstrittenen Flügel innerhalb der Partei zu einen und sie in einen Wahlkampf zu führen, der für die Traditionspartei härter als je zuvor werden wird.

Schon der Großvater war Erster Bürgermeister

Viele SPD-Mitglieder hielten Ex-Bürgermeister Henning Voscherau für den Mann, der als Spitzenkandidat am ehesten diese Ziele hätte erreichen können. Nach seiner am Montag verkündeten Absage wird jedoch deutlich, daß er nicht bereit ist, seinen guten Ruf für eine Partei aufs Spiel zu setzten, deren Probleme in erster Linie hausgemacht sind und die sich so selbst ihre Chancen auf einen Wahlsieg zerstört.

Mit Spannung darf aber auch erwartet werden, welche Rolle Petersen zukünftig in der Partei spielt. Noch in der Wahlnacht der Mitgliederbefragung ließ er die restlichen Stimmen auszählen, was ihm die Gewißheit brachte, daß er auch mit tausend weiteren Gegenstimmen die Wahl gewonnen hätte. Da es so scheint, als habe er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Erster Bürgermeister der Hansestadt zu werden und damit seinem Großvater Rudolf Petersen, dem ersten Nachkriegsbürgermeister der Hansestadt, zu folgen, dürfte der Rücktritt noch nicht das letzte Wort sein. Daß er sein persönliches Ziel den Interessen der Stadt und seiner Partei überordnet, stört Petersen dabei offenbar wenig.

Foto: Mathias Petersen: Gescheitert


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