© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/07 16. März 2007

Konzeptionslos
Afghanistan: Die Entsendung deutscher Tornados dient auch als Alibi
Daniel Herrnstein

Die Bundesregierung verwickelt Deutschland immer tiefer in den Afghanistankrieg. Ursprünglich war die Bundeswehr im Rahmen der internationalen Schutztruppe Isaf in Afghanistan engagiert. Deren Aufgabe waren nicht die Jagd auf Terroristen und der militärische Kampf gegen die Taliban, sondern die Herstellung eines sicheren Umfelds für eine neue afghanische Zentralregierung und Hilfe beim Wiederaufbau. In Kabul und jetzt im Norden haben deutsche Soldaten, ohne viel Wind zu machen, die von ihnen übernommenen Aufgaben mit beachtlichem Erfolg erfüllt. Die Isaf hatte sich in der Wahrnehmung der Bevölkerung klar gegen Bushs globalen "Krieg gegen den Terror" abgegrenzt und sich damit auch von seinen umstrittenen, teils völkerrechtswidrigen Aktionen distanziert. Den Deutschen kam zusätzlich ihr traditionell guter Ruf in Afghanistan zugute.

Die schrittweise Eskalation der Kriegführung gegen die wiedererstarkten Neo-Taliban und das Drängen von USA und Nato nach einer stärkeren deutschen Beteiligung daran hat zu halbherzigen Zugeständnissen Berlins geführt. Die Entsendung von Aufklärungs-Tornados als militärischer Beitrag zu einer "Generaloffensive" gegen die Taliban ist wohl noch nicht einmal der letzte Schritt. Schon hört man, daß auch supermoderne Drohnen ("Kleinfluggerät Zielortung") der Bundeswehr an den Hindukusch verlegt werden sollen. Sie dienen wie die Tornados "nur" der Aufklärung, also der Identifizierung und Lokalisierung von Zielen. Im Verbund mit moderner Artillerie und Kampfflugzeugen ist damit die schnelle und präzise Bekämpfung feindlicher Kräfte über große Distanz mit großer Präzision möglich. Stark vereinfacht - so sehen es auch die Taliban und ihr Gefolge - markieren die Deutschen das Ziel, und die anderen ziehen den Abzug.

Die Bereitstellung deutscher Tornados mag Zwängen der Bündnispolitik geschuldet sein. Und üblicherweise auch dem Schielen auf die Umfragewerte der die Regierung stellenden Parteien. Dem Wahlvolk ist die Entsendung einiger Maschinen, "die ja nur aufklären", allemal leichter zu vermitteln als die Gestellung deutscher Bodentruppen zur Unterstützung verlustreich kämpfender Nato-Kameraden. Ein schlüssiges Konzept ist hinter dieser Entscheidung aber nicht zu erkennen.

Wenn es stimmen sollte, was kleine Möchtegern-Generale im Bundestag seit Jahren schnarren, daß Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt wird, müßten wir dann nicht dafür sorgen, daß dem Feind mit allen Mitteln Paroli geboten wird? Diese Frage wirft ein Licht auf die Verwirrung, die um die Auslandseinsätze der Bundeswehr herrscht. Bis heute ist unklar, nach welchen Kriterien Deutschland seine Soldaten in die Welt schickt. Eine schlüssige Strategie ist nicht erkennbar. Was genau sind die deutschen Interessen, die in Afghanistan oder sonstwo militärisch vertreten werden müssen? Gibt es Weltgegenden, in denen Deutschland sich mit gutem Grund militärisch engagiert, und solche, von denen es sich wohlüberlegt fernhält?

Die auch als Alibi beschlossene Entsendung deutscher Tornados ist für diesen konzeptionslosen Zustand eine gute Illustration. Als substantieller militärischer Beitrag zu der von den USA geforderten Nato-Großoffensive gegen die Neo-Taliban ist er vergleichsweise halbherzig. Der massive militärische Einsatz wäre ja auch das falsche Mittel, wenn es gilt, eine umfassende politische Stabilisierung Afghanistans - wie auf dem Nato-Gipfel in Riga Ende 2006 angemahnt - so wie im Norden auch im Süden zu erreichen. Letztlich hatte der Gipfel die Konsequenz daraus gezogen, daß der jahrelange harte US-Militäreinsatz, bei dem zeitweise bis zu 28.000 Soldaten "Terroristen" jagen sollten, ergebnislos geblieben war, wenn man von der weiteren Entfremdung der Bevölkerung von den USA und deren Verbündeten absieht.

Allerdings ist wohl der danach gestartete erste Versuch, auch im Süden durch indirekte, über Stammesführer vermittelte Abmachungen mit lokalen Taliban eine Stabilisierung kleinerer geographischer Einheiten zu erreichen, in der Musa-Qala-Region bereits mißlungen. Welche Seite auch immer für das Scheitern des Projekts verantwortlich ist, die Intensivierung von Kleinkrieg und Terror durch die Taliban oder die traditionelle ultima ratio massiver britischer und amerikanischer Luftangriffe: Nun steht zu befürchten, daß die Weichen auf eine Verstärkung der militärischen Gewalt gestellt sind und ein Präzedenzfall geschaffen wurde.

Immer deutlicher wird auch, daß der Schlüssel für eine über den Tag hinausgehende Befriedung gar nicht in Afghanistan selbst liegt, sondern im Nachbarland Pakistan. Trotz der Beteuerungen aus Islamabad, auf seiten der USA und seiner Verbündeten zu stehen, hat es Pakistans Präsident Musharraf bisher unterlassen, konsequent gegen die Taliban vorzugehen. Sie schöpfen dort aus dem vollen, rekrutieren ihren Nachwuchs aus den Absolventen Tausender islamistischer Koranschulen. Vor allem Pakistans Militärgeheimdienst ISI - ein gewichtiger Machtfaktor in dem instabilen islamischen Land - hält die Hand über die neuen Taliban. Dagegen können noch mehr Bomben auf noch mehr Dörfer, in denen ein paar Tornado-Kameras noch mehr Taliban-Kämpfer noch genauer ausmachen, nicht sehr viel erreichen.


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