© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/07 16. März 2007

Sand im Getriebe
Gedenkpolitik: Bau der Gedächtnisstätte für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs im sächsischen Borna stockt / Ausstellung geplant
Ekkehard Schultz

Einige in den Boden eingelassene Fundamente und vier zur Mitte eines Kreises führende Treppen: Noch können sich Besucher schwer vorstellen, was auf dem Grundstück eines ehemaligen Verwaltungsgebäudes der lokalen Braunkohlengesellschaft in Borna einmal entstehen soll. Die Fundamente sind alles, was man in der Röthaer Straße 22 bis 24 der rund dreißig Kilometer südöstlich von Leipzig gelegenen sächsischen Kleinstadt auf den ersten Blick erkennen kann.

Dabei sollte an diesem Ort nach den Planungen des Architekten Ludwig Limmer - der den Gebäudekomplex samt Grundstück im Frühjahr 2005 ersteigert hat - sowie des Vereins Gedächtnisstätte längst ein zentraler Platz zur Erinnerung an die zivilen deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges und der Vertreibung entstanden sein (JF 20/06). Den Mittelpunkt des kreisförmig angelegten Platzes sollte ein zwölf Meter hohes Kreuz aus Stahl bilden, um welches herum in konzentrischer Form zwölf Granitwände mit den Wappen und Symbolen der verschiedenen Opfergruppen stehen sollten. Als äußere Begrenzung war die Anpflanzung von zwei Ahorn, drei Buchen, zwei Apfelbäumen, einer Buche und einer großen Eiche gedacht.

Bereits im Herbst 2005 wurden die Arbeiten aufgenommen. Der Bornaer Bauausschuß hatte am 11. Oktober 2005 dem Antrag Limmers zur Errichtung eines solchen Denkmals stattgegeben. Oberbürgermeister Bernd Schröter begrüßte das Vorhaben ausdrücklich. Das Metallkreuz war sogar bereits von der Metallbaufirma der Ehefrau Schröters angefertigt worden und stand praktisch zur Aufstellung bereit.

"Wallfahrtsort für Rechtsextreme"

Dann aber wurde im Dezember 2005 von der Stadt Borna ein sofortiger Baustopp verhängt, dem bald der Entzug der Baugenehmigung folgte. Anlaß dafür waren im November 2005 aufgekommene Vermutungen in linksextremen Szeneblättern, die Gedächtnisstätte könne als "Wallfahrtsort für Rechtsextreme" oder gar für "Holocaust-Leugner" dienen. Auslöser für diese Verdächtigungen - die wenig später auch von der Leipziger Volkszeitung übernommen wurden - war die Tatsache, daß eine Kontaktadresse des Vereins mit der Anschrift des Collegium Humanum in Vlotho übereinstimmte. Dessen Vorsitzende Ursula Haverkamp-Wetzel hatte den Verein Gedächtnisstätte im Jahr 1992 gegründet. Ihr wurde vorgeworfen, "als Teilnehmerin und Referentin auf Veranstaltungen rechtsextremistischer Organisationen im gesamten Bundesgebiet in Erscheinung" getreten zu sein, so im Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten. Zudem bleibe die mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilte Haverkamp-Wetzel nach ihrem Rückzug aus dem Vorstand weiterhin Mitglied des Vereines Gedächtnisstätte.

Seither kämpfen die Witwe des im vergangenen Jahr verstorbenen Limmer und der Verein juristisch darum, das Projekt doch noch verwirklichen zu können. Ende vergangenen Jahres konnten sie einen Erfolg verzeichnen: Am 27. November 2006 hob das Verwaltungsgericht Leipzig die Rücknahme der Baugenehmigung auf, da der Antragsteller "keine irreführenden Angaben" über das Projekt und ihre Absichten gegenüber dem Bornaer Bauausschuß gemacht habe. Die Stadt Borna erhob daraufhin jedoch umgehend Klage bei der nächsten Instanz, dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht. Dieses erklärte am 11. Februar 2007 den Entzug der Baugenehmigung für rechtens. Dadurch steht das Schicksal dieses Vorhabens erneut in den Sternen.

Die Gedächtnisstätte selbst ist jedoch nur ein Teil eines weit umfangreicheren Gesamtkonzepts: Bereits nach der Verhängung des ersten Baustopps hatte der Verein damit begonnen, in einem Teil der rund vierzig Räume des ehemaligen Verwaltungsgebäudes eine Ausstellung zum Thema zu erarbeiten. Gemäß den Planungen soll in insgesamt sieben Räumen die Vertreibung aus den verschiedenen Herkunftsgebieten der Deutschen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa dokumentiert werden.

So wird sich ein Raum den vertriebenen Sudetendeutschen widmen, die weiteren den Vertreibungsopfern aus Ostbrandenburg, Schlesien, Pommern, Ostpreußen, Westpreußen und Posen sowie aus Südosteuropa. Ein weiterer Raum steht für die Darstellung der Opfer des Bombenkriegs zur Verfügung. Auch die Kapitel Gefangenenlager, Flüchtlingsschiffe sowie die Schickale von vertriebenen Frauen und Kinder sollen umfassend behandelt, weitere Fläche für Sonderausstellungen und Veranstaltungen genutzt werden.

Ursprünglich sollte eine parallele Eröffnung von Gedenkstätte und Ausstellung erfolgen. Wegen des Entzugs der Baugenehmigung ist dies jedoch unmöglich. So wird nun die Präsentation vorgezogen: Bereits Ende dieses Monats soll ihr erster Teil für die Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

Mit Blick auf dieses Nahziel hat der Verein seine Öffentlichkeitsarbeit in den vergangenen Monaten deutlich erhöht. So möchte er das verbreitete Mißtrauen in der Bevölkerung überwinden, indem auf Flugblättern dazu eingeladen wird, mit dem Verein direkt in Kontakt zu treten, sich auf der Internetseite über das Denkmal zu informieren oder sich selbst in Borna ein Urteil zu bilden.

Zahlreiche Negativberichte

Ob diese Angebote angenommen werden und zu einer Veränderung des Klimas vor Ort führen, bleibt abzuwarten. Denn neben der durch zahlreiche Negativberichte in der Presse beeinflußten öffentlichen Meinung gegenüber der Erinnerungsstätte als solcher hält nicht nur der Verfassungsschutz von Nord-rhein-Westfalen die Vorwürfe gegen die Vereinsgründerin Haverkamp-Wetzel und das Collegium Humanum weiterhin aufrecht.

Bislang weist der Verein gegenüber den Medien - so auch in einer Reaktion auf den Beitrag, der Anfang Februar in der Leipziger Volkszeitung erschien - darauf hin, daß es "nicht Sache der Journalisten" sei, "nach der Überprüfung eines rechtschaffenden Vereines ... durch den Verfassungsschutz zu rufen". Zu konkreten Nachfragen bezüglich des Wirkens von Ursula Haverkamp im Verein Gedächtnisstätte und ihres Einflusses auf Gestaltung und Inhalte des Gesamtprojekts in Borna wollten weder der amtierende Vorstand des Vereines noch Haverkamp selber Stellung nehmen.

Fotos: Eingelassene Fundamente: Fertigstellung immer noch ungewiß; Entwurf der Gedächtnisstätte in Borna: Den Opfern von Krieg und Vertreibung gewidmet

Die Gedächtnisstätte in Borna im Internet: www.verein-gedaechtnisstaette.de 


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