© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/07 16. März 2007

Die Grand Old Party in der Klemme
USA: Die drei derzeit aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten der Republikaner mißfallen der einflußreichen religiösen Rechten
Elliot Neaman

Manchmal kommt es anders als geplant. 2003 verkündete George W. Bushs Wahlkampfmanager Karl Rove dem New Yorker-Journalisten Nicholas Lemann noch vollmundig, seine Strategie für Bushs Wiederwahl und der Bildung einer republikanischen Kongreßmehrheit könne in einer ähnlichen Situation münden, wie Amerika sie unter umgekehrten Vorzeichen vor siebzig Jahren schon einmal erlebt hatte: Nach Franklin Delano Roosevelts Einzug ins Weiße Haus 1932 dominierten die Demokraten über eine Generation hinweg die US-Politik.

Indes hat Bush das politische Kapital, das er aus dem Wahlsieg von 2004 gewonnen haben will, längst verspielt. Seine Zustimmungsraten in der Bevölkerung sind auf unter 30 Prozent gefallen, und angesichts einer demokratischen Mehrheiten in nunmehr beiden Häusern des Kongresses steht zu bezweifeln, ob er in den letzten zwei Jahren seiner Präsidentschaft viel mehr erreichen kann, als seine Regierung über Wasser zu halten und dem Sieger von 2008 eine Myriade von Problemen zu hinterlassen.

Für die republikanischen Kandidaten, die derzeit in den Startlöchern stehen, um das Rennen um seine Nachfolge anzutreten, ändern sich dadurch die Spielregeln vollkommen. Die beiden Wahlsiege für Bush erkämpfte Rove, indem er die Parteibasis motivierte, an die Urne zu gehen. Normalerweise geben bei Präsidentschaftswahlen nur etwa 50 Prozent der Wahlberechtigten eine Stimme ab (1960 waren es 62 Prozent, eine historische Rekordzahl). Zyniker mögen hinzufügen, "Gut so", denn tendenziell sind die Nichtwähler in den ärmeren, "bildungsferneren" Bevölkerungsschichten zu finden.

Roves Strategie ging so prächtig auf, weil es ihm gelang, ein neues bislang vernachlässigtes Stimmenreservoir anzuzapfen - evangelikale Christen. Auch sie stammen oft aus der Mittel- bis unteren Mittelschicht, sind aber keineswegs uninformiert über Themen, die ihnen am Herzen liegen: Abtreibung, Stammzellenforschung, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften oder Schulgebet. Bei knappen Ergebnissen wie 2000 und 2004, als ein paar swing states den Ausschlag gaben, waren einige tausend zuverlässige Neuwähler wahlentscheidend. Evangelikale in Ohio, die über eine Gesetzesvorlage zur Homoehe aufgebracht waren, sorgten 2004 dafür, daß dieser Bundesstaat an Bush fiel. Ohne sie hieße der derzeitige Amtsinhaber wahrscheinlich John Kerry.

Aktuell können sich drei Männer gute Chancen auf die republikanische Kandidatur ausrechnen: der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani, John McCain, Senator aus Arizona, sowie Mitt Romney, ehemaliger Gouverneur von Massachusetts. Laut Umfragen des renommierten Meinungsforschungsinstituts Rasmussen liegt Giulianis Zustimmungsrate derzeit bei etwa 35 Prozent, McCains bei 20 und Romneys bei 10, der Rest verteilt sich auf weniger bekannte Kandidaten.

Das Bemerkenswerte an diesen Zahlen ist, daß den evangelikalen Christen des rechten Parteiflügels keiner der drei Kandidaten gefällt. Die wichtigste Gruppe konservativer Christen, das Council for National Policy, dem einflußreiche Männer wie James C. Dobsen, Jerry Falwell und Grover Norquist angehören, hat bislang keinem Kandidaten seine Unterstützung zugesichert. Ganz offensichtlich hält man noch nach einem Politiker mit deutlicherer konservativer Prägung Ausschau. Sollte der republikanische Kandidat für 2008 Giuliani oder McCain heißen, so stünden die US-Konservativen womöglich vor einer ähnlichen Situation wie 1996, als sie die Wahl hatten zwischen Bob Dole, dem sie mißtrauten, und Bill Clinton, den sie haßten. Viele blieben damals am Wahltag zu Hause oder stimmten für Kandidaten dritter Parteien.

Auf John McCain ist die christliche Rechte schlecht zu sprechen, seit er 2000 Jerry Falwell, einen ihrer prominentesten Vertreter, einen "Agenten der Intoleranz" nannte. Kürzlich hat McCain eine Kehrtwende vollzogen und sich bereit erklärt, an der Liberty University, Falwells privater christlicher Universität in Virginia, zu sprechen. Auch von seiner Kritik am Irak-Krieg hat McCain Abstand genommen und sich zum lautstarken Unterstützer der jüngsten Truppenverstärkung gewandelt. Diese Annäherung an rechte Positionen könnte McCain wiederum Stimmen bei seiner Kernwählerschaft kosten.

Giuliani sonnt sich im Nachglanz seiner Rolle als "Amerikas Bürgermeister" in den schweren Tagen nach dem 11. September 2001. Seine Führungsqualitäten stellte er zweifelsfrei unter Beweis, indem er die New Yorker Polizei und Feuerwehr mit Mut und Entschlußkraft bei ihren Rettungsarbeiten leitete. Für das Amt empfiehlt ihn zudem eine gute Bilanz in der Kriminalitätsbekämpfung, der Senkung der Sozialausgaben und der allgemeinen Verbesserung der Lebensqualität für die New Yorker in den 1990er Jahren. Doch kann man Giuliani kaum als Wertkonservativen bezeichnen. Seine zweite Scheidung wurde 2000 in der Boulevardpresse ausgetragen, und in vielen gesellschaftspolitischen Fragen vertritt er nicht nur in bezug auf Abtreibung liberale Standpunkte. Damit könnte er zwar im liberalen Kalifornien punkten, hätte es aber gerade in den für einen republikanischen Sieg 2008 wesentlichen Südstaaten schwer.

Mitt Romney ist auf den ersten Blick ein vielversprechender Kandidat. Er stammt aus einer Dynastie von Politikern (sein Vater war Gouverneur von Michigan und 1968 Präsidentschaftskandidat). Er ist intelligent, sympathisch und sieht gut aus. Doch er hat ein großes Problem. Romney ist zwar konservativer als Giuliani oder McCain, aber er gehört der Kirche der Heiligen der Letzten Tage an - er ist Mormone. Im heutigen Amerika kann es einem Kandidaten immer noch - wenn auch weit weniger als früher - zum politischen Nachteil gereichen, jüdisch oder katholisch zu sein. Die Zahl derjenigen Wähler, die nach eigener Aussage nicht für einen Katholiken oder Juden (oder einen Afro-Amerikaner) stimmen würden, liegt im einstelligen Bereich. Mit Mormonen verhält es sich anders - viele Amerikaner wissen wenig über ihre Religion, und was sie wissen, sieht ihnen nach einem merkwürdigen Kult aus. Die meisten verbinden das Mormonentum mit Polygamie, die freilich schon seit 1890 verboten ist.

Evangelikale haben Probleme mit den Mormonen

Mit der richtigen Aufklärungsarbeit könnte Romney vermutlich die Bedenken des Durchschnittswählers aus dem Weg räumen. Je mehr er jedoch über seine Religion spricht, desto stärker ruft er den evangelikalen Wählern - die den Schlüssel zum republikanischen Wahlsieg darstellen - ins Gedächtnis, daß er keiner der Ihren ist. Aus evangelikaler Sicht ist die mormonische Religion - mit sechs Millionen Mitgliedern heute die viertgrößte in den USA - nicht einfach eine andere Form des Christentums, sondern Ketzerei. Die 1830 von Joseph Smith jr. in Fayette im Staat New York gegründete Glaubensgemeinschaft der Mormonen, die seit 1848 ihren Hauptsitz in Salt Lake City/Utah hat, erkennt neben der Bibel das "Buch Mormon" sowie Smiths in "Lehre und Bündnisse" gesammelten Offenbarungen und die Textsammlung "Die Köstliche Perle" als kanonische Schriften an. Zudem hat sie eigene Propheten und glaubt an einen Gott-Vater im menschlichen Körper. Wenn die Mormonen recht haben, haben die Evangelikalen unrecht - beide vertreten einen Absolutheitsanspruch. Deshalb scheint es unwahrscheinlich, daß Romney sein "religiöses Hindernis" überwinden kann, zumindest nicht gegenüber jenem Segment der republikanischen Wähler, auf das es ankommt.

Diese Konstellation läßt Raum für einen weiteren Kandidaten. Sam Brownback, Senator aus Kansas, überzeugter Katholik und Wertkonservativer, oder Mike Huckabee, ein ehemaliger Baptistenpfarrer, der heute Gouverneur von Arkansas ist, wären attraktive Alternativen aus Sicht der republikanischen Rechten, hätten aber US-weit kaum Chancen auf einen Wahlsieg.

Sogar Newt Gingrich, der ehemalige Sprecher des Repräsentantenhauses, dem die Erneuerung des Konservatismus während der Clinton-Jahre maßgeblich zu verdanken ist, kam in die engere Auswahl. Doch auch eher hat kein lupenreines Privatleben vorzuweisen und steht eher für eine konservative Gesellschaftspolitik denn für christliche Werte. Erst vorige Woche gab er in Jerry Falwells Radiosendung zu, eine außereheliche Affäre gehabt zu haben, während seine Kongreßmehrheit Präsident Clinton wegen seines Techtelmechtels mit einer Praktikantin unter Anklage stellte. Durchaus möglich, daß Gingrich seinen Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen versucht, indem er vergangene Indiskretionen in Vorbereitung auf eine Kandidatur als medialen "Schnee von gestern" präsentiert. Bibeltreue Wähler werden einige Gebete sprechen müssen, bevor sie diesem verlorenen Sohn ihre Stimme geben.

Kurz gesagt, die Republikaner stecken in der Klemme. Wenige Jahre, nachdem der Wunderknabe Karl Rove ihnen auf lange Zeit die politische Vorherrschaft gesichert zu haben schien, ringen sie um interne Eintracht. Zudem sorgt das Rennen zwischen Hillary Clinton und Barack Obama (JF 8/07) täglich für neue Schlagzeilen, so daß die Demokraten das gesamte mediale Rampenlicht für sich beanspruchen.

Nach Jahren der Schreckensnachrichten über Terrorismus und Krieg sowie Kandidaten, die stets die gleichen Sprechblasen von sich zu geben scheinen, sehnen sich die amerikanischen Wähler nach einem Präsidenten, der sie inspiriert und andere Wege in eine gemeinsame Zukunft aufzeigt.

Zuvor schenkten die Amerikaner ihr Vertrauen abgeklärten Politikern wie Dick Cheney und Donald Rumsfeld. Sie haben in Washington nichts als Chaos angerichtet. Inzwischen scheint Erfahrung weniger wichtig als Charisma und ein gutes Urteilsvermögen. Vielleicht haben bei den Republikanern auch deswegen die unkonventionellen Kandidaten die Nase vorn. Wie bei der erfolgreichen Fernsehsendung "American Idol", wo das Publikum den besten Amateursänger kürt, will selbst der republikanische Wähler sich diesmal in den nächsten Superstar verlieben - und der heißt nicht Jesus.

 

Prof. Dr. Elliot Neaman lehrt Neuere europäische Geschichte an der University of San Francisco. Die US-Wahlkampfseiten in Internet: www.draftrudygiuliani.com; www.johnmccain.com; www.mittromney.com

Fotos: Chefstratege Rove (l.) mit Präsident Bush: Das politische Kapital vom Wahlsieg 2004 längst verspielt, Mitt Romney, John McCain, Rudy Giuliani


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