© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/07 23. März 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Europäisches Traumziel
Andreas Mölzer

Beim letzten Gipfel beschlossen die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten, die Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2020 um ein Fünftel zu senken. Natürlich ist es richtig, wenn die EU eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehmen will, ob es ihr aber im Alleingang gelingen wird, den Planeten vor dem Klimakollaps zu retten, muß ernsthaft bezweifelt werden. Schließlich verursachen die 25 EU-Staaten nur schätzungsweise 15 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, während die anderen großen Klimasünder USA, China, Indien, Südkorea, Japan und Australien für fast die Hälfte der weltweiten Treibhausgas-Produktion verantwortlich sind.

Ein weiteres Problem ist, daß sich Energieverschwender wie die USA keinen Deut um die Umwelt kümmern. Daher wird für Europa nicht ausreichen, mit gutem Beispiel voranzugehen, sondern es wird auch notwendig sein, von anderen Maßnahmen zum Klimaschutz einfordern. Aber der letzte Gipfel, bei dem nicht ansatzweise eine Kritik an der Umweltschutzpolitik Washingtons zu vernehmen war, zeigte eindrucksvoll, welch geringes außenpolitisches Selbstbewußtsein Brüssel an den Tag legt, wenn es um die Durchsetzung der eigenen Ziele geht. In Umweltfragen zeigen manche Mitgliedstaaten dieselbe Tendenz freudig-blinder Vasallenschaft gegenüber Washington wie bei den illegalen CIA-Flügen. So haben Basen der US-Armee in Europa den Charakter von Sondermülldeponien, was darauf schließen läßt, daß bei diesen Handlangerdiensten umwelttechnische Auflagen offenbar keine Rolle spielen.

So begrüßenswert Anstrengungen zum Klimaschutz auch sind, ohne genaue Maßnahmen zur Lösung problematischer Einzelfragen wird das angepeilte Ziel nicht zu erreichen sein.

In diesem Zusammenhang drängen sich Parallelen zum Gipfel von Lissabon im Jahr 2000 auf, als beschlossen wurde, daß die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt werden soll. Sieben Jahre später ist man vom Erreichen dieses Ziels immer noch Lichtjahre entfernt. Daß den Klimaschutzzielen auch ein "Lissabon-Schicksal" drohen könnte, belegt die Tatsache, daß die EU von der selbstverordneten Anteilssteigerung erneuerbarer Energie auf zwölf Prozent gerade einmal acht Prozent geschafft hat.

Fraglich ist auch, was der Plan der amtierenden EU-Ratspräsidentin Angela Merkel bringen soll, die Klimaschutzziele in die geplante Berliner Erklärung aufzunehmen. Schließlich soll dieses Selbstbeweihräucherungsdokument, das am Wochenende mit großem Pomp unterzeichnet wird, doch nur den Boden für das von den Franzosen und Niederländern abgelehnte Verfassungsmonstrum bereiten.

Nicht minder problematisch ist, wie der Verfasser dieser Zeilen vergangene Woche bei seiner Rede vor dem Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg erklärte, daß die EU im Bereich der risikobehafteten Atomkraft um keinen Schritt weitergekommen ist. Die Entsorgung der radioaktiven Abfälle aus den AKW bleibt ungelöst, und die Sicherheit von Kernkraftwerken ist weiterhin fraglich. Aber trotz dieser ernsthaften Bedenken hat es die EU beim Gipfel nicht geschafft, mit einem "Nein" zur Atomkraft ein deutliches Zeichen zu setzen. Wenn die Klimaerwärmung mit atomarem Risiko bekämpft werden soll, na dann gute Nacht!

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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