© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/07 23. März 2007

Frisch gepresst

Kurt von Schleicher. Ende Januar 1933 entspann sich zwischen Reichskanzler von Schleicher und Reichspräsident von Hindenburg ein erregter Disput darüber, ob nun Adolf Hitler der Weg zur Kanzlerschaft frei gemacht werden solle. Im Hintergrund drohte der Bürgerkrieg. Mit der Verantwortung dafür, so der "alte Herr", wolle er nicht vor seinen höchsten Richter treten. "Schleicher bezweifelte daraufhin, ob Hindenburg überhaupt in den Himmel komme." Um solcher anekdotischen Verdichtungen willen, die Irene Strenge in ihrer Studie über "Kurt von Schleicher" (Politik im Reichswehrministerium am Ende der Weimarer Republik, Duncker &Humblot 2006, broschiert, 242 Seiten, 32 Euro) einstreut, darf man die Lektüre kurzweilig nennen. Mehr ist allerdings nicht zu erwarten. Neue Quellen zur Reichswehrpolitik, vor allem zu Schleichers Krisenmanagement im "Entscheidungsjahr 1932", bringt Strenge nicht bei. Da die Forschung hier aber zu einem gewissen Abschluß gelangt ist, hätte mehr als die von ihr gebotene Zusammenschau auch überrascht. Und selbst bei dieser eher anspruchslosen Bilanzierung übersieht sie eine der wichtigsten Publikationen zum Thema aus jüngster Zeit, nämlich die Rekonstruktion von Schleichers Anti-Hitler-Strategie, wie sie Gabriel Seiberth anhand der Tagebücher, Gutachten und Veröffentlichungen von dessen "Kronjuristen" Carl Schmitt versucht hat (JF 39/02).

Wolfgang Leonhard. Wer seinen Klassiker "Die Revolution entläßt ihre Kinder" kennt, dürfte über Wolfgang Leonhards jüngstes Buch "Meine Geschichte der DDR" (Rowohlt Verlag, Berlin 2007, gebunden, 268 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro) etwas die Stirn runzeln. Schließlich hat der "letzte Überlebende der 'Gruppe Ulbricht'", die 1945 zur Implementierung des sozialistischen Systems aus Moskau in die sowjetische Besatzungszone kam, den Staat DDR eigentlich nur aus der Außenperspektive wahrnehmen können, da er 1949 - endgültig mit dem Stalinismus brechend - über Jugoslawien in den Westen floh. Allerdings schafft es Leonhard, auf seine Erfahrung mit dem System und vor allem den bis zu dessen Ende regierenden Personen gründend, "seine DDR" authentisch zu beschreiben, der er - im Vergleich zu späteren Journalistenkollegen aus der BRD - vielleicht etwas Nostalgie, aber deutlich weniger Sympathie entgegenbrachte.

Evo Morales. Was haben der deutschstämmige, 2002 verstorbene "rechte" General Hugo Banzer Suárez und der 47jährige, aus einer Aymara-Indianerfamilie entstammende "linke" Juan Evo Morales Ayma gemeinsam? Eigentlich nicht viel - doch der Aufstieg von Morales läßt sich ohne Banzer nicht erklären. Denn in dessen letzter Amtszeit wurde auf Druck Washingtons die vollständige Vernichtung des illegalen Koka-Anbaus in Bolivien angeordnet. Die folgende innerpolitische Krise spülte den Koka-Bauerngewerkschafter Morales nach oben, Ende 2005 gewann Morales die Präsidentschaftswahl. Nun ist eine erste Biographie auf deutsch erschienen - mit viel Sympathie schildert der ebenfalls aus dem Aymara-Volk stammende Autor den Aufstieg des ersten indianischen Staatsoberhaupts von Bolivien (Germán Muruchi Poma: Evo Morales. Die Biographie. Militzke Verlag, Leipzig 2007, gebunden, 356 Seiten, 29,90 Euro).


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