© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/07 30. März 2007

Glanz und Elend West-Berlins
Bankenaffäre: Gericht verurteilt den ehemaligen Berliner Fraktionschef Landowsky zu 16 Monaten Haft auf Bewährung
Thorsten Hinz

Drei Jahre Freiheitsentzug wegen Untreue hatte die Staatsanwaltschaft für Klaus-Rüdiger Landowsky gefordert. Das Berliner Landgericht verurteilte den langjährigen CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus und ehemals mächtigsten Lokalpolitiker Berlins für seinen Anteil an der Berliner Bankenaffäre zu einer 16monatigen Bewährungsstrafe. Das Urteil ist für den 64jährigen eine Niederlage, denn nur ein Freispruch hätte seine öffentliche Reputation wiederhergestellt. Eine Revision wird schwierig sein, denn das Gericht hat sich gehütet, ihn als Sündenbock vorzuführen und den Rufen nach exemplarischer Bestrafung nachzugeben.

Landowsky personifiziert wie kein anderer Glanz und Elend des alten West-Berliner Biotops, seinen Filz, die objektive und subjektive Überforderung und die Not der Stadt überhaupt. 16 Jahre lang regierte sein Parteifreund Eberhard Diepgen die Stadt in präsidialer Manier. Landowsky aber zog die Strippen, organisierte Mehrheiten, streichelte die Volksseele und brachte die CDU im Westteil nahe an die absolute Mehrheit.

Nach 1989 herrschte in Berlin fiebrige Erwartung. Berechtigten die weltweite Aufmerksamkeit und Europas größte Baustelle am Potsdamer Platz nicht zu den prächtigsten Zukunftsprognosen?

Doch bald zeigte sich, daß die Entwicklung zur Finanz- und Wirtschaftsmetropole sich keineswegs im Selbstlauf vollzog. Wer aber hätte es wagen dürfen, die bittere Wahrheit auszusprechen: daß Berlin nicht mit Frankfurt am Main, München oder Hamburg um die Firmen und Banken konkurrierte, die nach 1945 abgewandert waren, sondern sich im Wettbewerb mit Warschau und Prag um neu zu errichtende Produktionsstätten und damit auch im Kostenwettbewerb befand?

Das Dilemma war unauflösbar, denn Berlin als Billiglohnort zu offerieren, erscheint noch im Rückblick unmöglich. So folgte die schnelle Lohnangleichung im Ostteil, die mit dem Zusammenbruch der DDR-Industrie und der Abwanderung der letzten Industriebetriebe aus West-Berlin einherging, denen der Bund abrupt die Subventionen strich.

In dieser Situation entschloß sich der von einer Großen Koalition getragene Berliner Senat 1993, aus öffentlich-rechtlichen und privaten Banken die Berliner Bankgesellschaft zu zimmern - das nominell viertgrößte Bankhaus Deutschlands, in Wahrheit ein unüberschaubares Konglomerat. Mit diesem Instrument wollte die Stadt Wirtschafts- und Strukturpolitik betreiben. Zur Bankgesellschaft gehörte die Berlin-Hyp, an deren Spitze - Klaus-Rüdiger Landowsky stand.

Zur Interessenverquickung gesellten sich Selbstüberschätzung und Inkompetenz. Durch abenteuerliche Immobiliengeschäfte trudelte die Bankgesellschaft in die Krise, mehrere milliardenschwere Wertberichtigungen folgten. Um eine Pleite abzuwenden, mußte das Land Berlin 2002 eine Bürgschaft für fast 22 Milliarden Euro übernehmen, was einem kompletten Landeshaushalt entspricht.

Der finanzielle wurde zum politischen Skandal, als 2001 bekannt wurde, daß Landowsky eine Parteispende der Immobilienfirma Aubis angenommen und verschwiegen hatte. Denn zeitnah hatte er den Aubis-Managern, die pikanterweise der CDU angehörten, durch die Berlin-Hyp einen Kredit in Höhe von 350 Millionen Euro ausreichen lassen - gegen Warnungen aus dem eigenen Haus, daß Aubis weder über genügend Kapital noch Erfahrung verfügte. Das Geld ging verloren.

Es schlug die Stunde von Klaus Wowereit, der die Chance sah, die SPD aus der Großen Koalition zu befreien, in der sie hart an die 20-Prozent-Marke geraten war. Er bot eine machiavellistische Meisterleistung und schob Landowsky und seiner Partei die Alleinverantwortung für die Fast-Pleite zu, obwohl das Finanzressort in SPD-Hand und Wowereit selber Vorsitzender des Finanzausschusses gewesen war. Die CDU wurde pulverisiert, Landowsky und Diepgen verschwanden in der Versenkung. Das Gericht beschränkte sich jetzt darauf, Landowsky einen konkreten Schaden von drei Millionen zuzuweisen. Das reichte aus für eine Verurteilung.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen