© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/07 30. März 2007

Der Mann der klaren Worte
Israel: Minister Awigdor Lieberman reduziert die kompliziertesten Vorgänge gern auf einfache Thesen
Ivan Denes

Als Condoleezza Rice im Januar Israel besuchte, traf die US-Außenministerin auch mit dem Minister für strategische Angelegenheiten, Awigdor Lieberman, zusammen. Der 48jährige Chef der mitregierenden Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) konfrontierte Rice dabei mit seinem kurzfristigen "Friedensplan": zuerst ein israelischen Militäreinmarsch in den Gazastreifen, dann Säuberung von Terroristen und anschließend die Stationierung von 30.000 Nato-Friedenssoldaten.

Solch klare Worte sind typisch für Lieberman, der zweifelsohne ein radikaler israelischer Nationalist ist. Er hat schon öfter durch martialische Töne weltweite Empörung ausgelöst. 2003 schlug er im israelischen Parlament, der Knesset, vor, freigelassene palästinensische Häftlinge mit Bussen an einen Ort zu bringen, "von dem aus sie nicht zurückkehren". Im Mai 2006 rief er dazu auf, alle arabischen Politiker hinzurichten, die Kontakte zur radikal-islamistischen Hamas unterhalten.

Lieberman, der 1958 in Chişinău (Kischinew/Moldauische Sowjetrepublik) geboren wurde, durfte 1978 nach Israel auswandern. Als Mitglied des Likud-Blocks wurde er 1996 unter Premier Benjamin Netanjahu dessen Stabschef, bei Ariel Scharon Infrastrukturminister. 1999 gründete er eine eigene Partei. Bei der Knesset-Wahl 2006 wurde Israel Beitenu mit zehn Prozent und elf Sitzen viertstärkste von zehn Fraktionen.

Als Interessenvertreter der Einwanderer aus der Ex-Sowjetunion bedient er sich einer populistischen Sprache: Lieberman reduziert die kompliziertesten Vorgänge gern auf einfache Thesen. So weist er darauf hin, daß der UN-Teilungsplan Palästinas von 1948 die Schaffung eines jüdischen und eines arabischen Staates vorsah. Der jetzt geplante Palästinenserstaat werde ethnisch rein arabisch sein. Der jüdische Staat aber habe eine große arabische Minderheit in seinen Grenzen. Das könne nicht gutgehen, da die israelischen Araber keine jüdische, sondern eine panarabische Solidarität pflegen. Aus diesem Dilemma resultiert seine Forderung nach einem radikalen Gebiets- und Bevölkerungsaustausch im Heiligen Land. Er will künftig nur solche Araber in Israel dulden, die einen Loyalitätseid ablegen und bereit sind, in der Armee zu dienen. "Juden und Araber können niemals zusammenleben", erklärte er dem Londoner Sunday Telegraph. Die Trennung sei "die beste Lösung".

"Auch wenn wir auf der Welt damit allein stehen sollten"

Liebermans Ansichten werden auch von anderen nationalistischen Parteien (Moledet, Herut) offen unterstützt. Doch im Zentrum der Kritik steht Lieberman. Einige behaupten, der israelische Vizepremier habe das Erbe des 1990 in New York ermordeten Rabbi Meir Kahane angetreten. Der Gründer der radikalen Kach-Bewegung und der Jewish Defence League war ein Exponent der "ethnischen Säuberung" Israels. Seinen Kritikern hält Lieberman entgegen, daß sich ähnliche Entwicklungen auf dem Balkan oder im Kashmir vollzögen. Der angeschlagene Regierungschef Ehud Olmert (Umfragen geben seiner Kadima-Partei nur noch elf Prozent) meinte, seine Koalition durch Liebermans Partei konsolidieren zu können. Und daß Olmert Lieberman nicht nur als Vizepremier, sondern auch als Strategieminister einsetzte, kann als direkte Antwort auf die apokalyptischen Drohungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadi-Nedschad gegen Israel verstanden werden.

Auch diesbezüglich sprach Lieberman vorige Woche Klartext: Einige EU-Politiker versuchten, "Israel zu opfern, um die Sicherheit Europas zu gewährleisten, so wie Chamberlain und andere damals glaubten, Tschechien opfern zu müssen, um den Frieden zu erhalten". Mit ähnlichen Argumenten rechtfertige Europa heute den Dialog mit der Hamas und dem Iran. Wirklich starke Wirtschaftssanktionen könnten das Nuklearprogramm Teherans zwar noch stoppen, aber "wir bereiten das Land darauf vor, mit dem iranischen Problem fertigzuwerden. Auch wenn wir auf der Welt damit allein stehen sollten", erklärte Lieberman im Wiener Profil. Selbst ohne US-Unterstützung sei Israel "bereit und fähig, mit dem Iran fertigzuwerden, seine nukleare Aufrüstung zu stoppen". Ein atomar gerüsteter Iran wäre nicht nur für Israel gefährlich: "Er würde einen dramatischen, verrückten und gefährlichen nuklearen Wettlauf in der ganzen Region auslösen."

Mit diesen Gedankengängen steht Lieberman keineswegs isoliert da. "Wir halten das zionistische Regime in Palästina für illegal", drohte der iranische Außenminister Manutscher Mottaki kürzlich erneut im Spiegel. Nicht nur deshalb wird der israelische Generalstab wohl ähnliche Überlegungen wie Lieberman anstellen.


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