© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/07 30. März 2007

Aus dem Zusammenhang gerissen und sogar frei erfunden
Der Historiker Joachim Kuropka widerlegt Vorwürfe gegen den NS-Gegner und "Löwen von Münster" Kardinal Clemens August Graf von Galen
Alexander Graf Plettenberg

Wir alle und besonders wir Deutschen sind dankbar, daß uns der Herr diesen großen Zeugen des Glaubens geschenkt hat, der in finsterer Zeit das Licht der Wahrheit aufgerichtet und den Mut des Widerstands gegen die Macht der Tyrannei gezeigt hat." Dieser Satz stammt von Papst Benedikt XVI., und er äußerte ihn zur Seligsprechung von Kardinal Clemens August Graf von Galen (1878-1946) am 9. Oktober 2005 in Rom.

Graf von Galen war im Dritten Reich Bischof von Münster und wurde durch drei herausragende Predigten vom Juli und August 1941 weltberühmt. Darin protestierte er besonders gegen die Beschlagnahmung von Klöstern zu Parteizwecken und den Massenmord an Geisteskranken ("Euthanasie") der Nationalsozialisten. Durch seinen energischen und mutigen Protest erreichte der "Löwe von Münster", daß der "Klostersturm" größtenteils gestoppt und die Tötung geistig Behinderter zahlenmäßig erheblich verringert wurde. Neben einer sehr großen Anhängerschaft des Kardinals, nicht nur im Münsterland, gab es in den letzten Jahrzehnten auch immer wieder Menschen, die ihn aus unterschiedlichen Beweggründen kritisierten.

Im März vergangenen Jahres beschäftigten sich Teilnehmer einer zweitägigen Tagung der Hochschule Vechta mit den Thesen der Galen-Kritiker (JF 13/06). In Vechta lehrt Deutschlands maßgeblicher Galen-Forscher Joachim Kuropka, der über den Kardinal bereits umfangreiche Publikationen vorlegte (JF 41/05). Kuropka wurde 1941 in Schlesien geboren und studierte Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaft in Münster.

Am vergangenen Donnerstag, dem 61. Todestag Graf Galens, stellte er als Herausgeber in der Münsteraner Diözesanbibliothek sein neuestes Buch der Öffentlichkeit vor. Der Band trägt den Titel "Streitfall Galen - Studien und Dokumente" und wurde von zwölf Historikern verfaßt, davon drei Kirchenhistoriker.

Die Autoren des Buchs, das in fünf Kapitel gegliedert ist, wollen nicht zur Berechtigung oder Nichtberechtigung der Seligsprechung des Kardinals Stellung nehmen. Es geht ihnen darum, das Handeln und Wirken Galens aus den "gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Gegebenheiten" der damaligen Zeit verständlich zu machen, wie Kuropka bei der Buchvorstellung formulierte.

Der "Streitfall" beziehe sich auch auf die öffentlichen Kontroversen vor und nach der Seligsprechung, die teilweise die Grenze zur Polemik überschritten. In seinem Beitrag zur Bischofswahl 1933 verdeutlicht Kuropka die Hintergründe und erklärt, warum Galen vom Domkapitel an dritter Stelle nominiert wurde. Nachdem der gewählte Heufers sowie der weitere mögliche Kandidat Donders aus politischen Gründen abgesagt hatten, setzten Papst Pius XI. und Kardinalstaatssekretär Pacelli auf einen Mann mit Mut und Grundsätzen. Galen war "der Mann der Stunde", so Kuropka. Hiermit widerspricht er entschieden dem Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf, der behauptete (FAZ, 26. Februar 2005), Galen sei "dritte Wahl" gewesen.

Auch den Thesen der bekannten Galen-Kritiker Uta Ranke-Heinemann, die den Bischof als "Antisemit und Kriegsfreund" diffamierte, und Eugen Drewermanns, der ihn als "Kriegshetzer" verunglimpfte, wird von Rudolf Willenborg fundiert widersprochen. Beide verwendeten für ihre herabsetzenden Wertungen des Kardinals teilweise aus dem Zusammenhang gerissene und sogar auch frei erfundene Zitate, wie Willenborg belegt.

Joachim Kuropka kann in seinem Beitrag "Bischof von Galen und die Juden" erstmals einen Beleg von seiten des NS-Regimes vorlegen, daß in den Kirchen des Bistums Münster im Herbst 1938 für die Juden gebetet wurde, wie dies der damalige Rabbiner Fritz Steinthal bereits berichtet hat, was jedoch bezweifelt worden ist. Darüber hinaus konnten mehrere Fälle bislang nicht bekannter praktischer Hilfeleistungen Galens für Juden belegt werden.

Maria Anna Zumholz aus Münster hat sich in einem Beitrag mit dem Verhältnis Galens zum Ersten und Zweiten Weltkrieg intensiv beschäftigt. Anschaulich zeigt sie, daß Kriege allgemein für Galen ein Ergebnis menschlicher Sünden und eine Folge des Abfalls der Menschen von Gott darstellten. In einem weiteren Kapitelbeitrag betont sie die Grundprinzipien des Kardinals, die auf der unantastbaren Würde und Freiheit jedes Menschen als eines Ebenbildes Gottes beruhten.

Joachim Kuropka (Hrsg.): Streitfall Galen - Studien und Dokumente. Verlag Aschendorff, Münster 2007, gebunden, 541 Seiten, Abbildungen und Dokumente, 29,80 Euro

Foto: Kardinal Galen, Münster im März 1946: Verunglimpfungen entkräftet


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