© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/07 06. April 2007

Wie einst zur Fürstenzeit
Geschichtspolitik: Die Deutsche Burschenschaft erinnert in Landau an das Hambacher Fest von 1832 und zieht Parallelen zur Gegenwart
Ferdinand Kuhlmann

Im Jahre 1832, in einer Zeit des Umbruchs in den deutschen Landen, der von einer Entwicklung eines politischen Bewußtseins im Volk herrührte, versammelten sich 30.000 Menschen auf dem Hambacher Schloß nahe Landau in der Pfalz. An diesem Ort forderten sie ein geeintes und freies Deutschland. Im Gegensatz zum 15 Jahre vorher veranstalteten Wartburgfest, wo genau diese Forderungen von Studenten und Professoren verkündet wurden, fanden sich nun auch zahlreiche Bürger, Handwerker und Arbeiter ein: ein Zeichen dafür, daß sich nun das ganze Volk hinter den Gedanken eines geeinten Vaterlandes stellte.

Am vergangenen Wochenende erinnerte die Deutsche Burschenschaft mit einem Festakt und einem Symposium an die Veranstaltung, die als "Hambacher Fest" in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Der traditionsreiche akademische Dachverband erinnerte damit an seine Wurzeln, die nicht zuletzt in der deutschen Freiheits- und Einigungsbewegung des neunzehnten Jahrhunderts liegen.

Der österreichische Staatsminister Metternich, der auf dem Wiener Kongreß von 1815 als Verfechter der sogenannten Restauration für die "Kleinstaaterei" in Deutschland in Erscheinung getreten war, hatte auf die nationalen Bestrebungen, die den Fürsten ein Dorn im Auge waren, schon im März 1819 reagiert, als er eine Konferenz in Karlsbad einberief, auf der die deutsche Burschenschaft verboten wurde und Bevollmächtigte eingesetzt wurden, die die Tätigkeit der Universitätsprofessoren überwachen sollten. Die nun einsetzende Demagogenverfolgung, die die Entfernung national und liberal gesinnter Dozenten aus ihren Ämtern vorsah, war nur der Anfang dieser "Karlsbader Beschlüsse". Des weiteren wurde die Freiheit der Presse untergraben, indem alle Zeitungen und Druckschriften einer staatlichen Zensur unterzogen wurden. Trotz dieser Unterdrückungsmethoden durch die staatlichen Organe war dem Drang des Volkes nach Freiheit und Einigkeit kein Einhalt zu gebieten.

Auf dem Hambacher Schloß verkündeten 1832 die Redner, daß das Volk selbst die Einigung vollbringen müßte, wenn die Staatsoberhäupter dazu nicht in der Lage seien.

Diese Verlautbarungen nahm Metternich erneut zum Anlaß, um nun die Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit gänzlich zu unterdrücken. Einige der Veranstalter des Hambacher Festes wurden verhaftet, andere mußten aus Deutschland fliehen, obwohl sie sich gerade für dieses Land einsetzten.

175 Jahre später hatten die Veranstalter um die Burschenschaft Brixia Innsbruck daher unter dem Motto "175 Jahre Hambacher Fest - Meinungsfreiheit einst und heute" zu einer Jubiläumsfeier ins nahe dem Hambacher Schloß gelegene Landau in der Pfalz geladen.

Doch nicht nur die halbwegs runde Jahreszahl war der Grund, daß sich rund 500 Festgäste in der Jugendstilhalle eingefunden hatten. Auch die Zensur, der heutzutage Presse und Meinungen unterzogen werden, stand im Vordergrund des von Gerald Waitz geleiteten Symposiums. Dieser beleuchtete zu Anfang den historischen Kontext, um dann das Wort dem Chefredakteur der JUNGEN FREIHEIT, Dieter Stein, zu geben, der über die Entwicklung der Meinungsfreiheit im deutschen Kulturraum von 1832 bis heute referierte. Er wies auf aktuelle Eingriffe in die Pressefreiheit wie im Falle der Zeitschrift Cicero hin. Angesichts zahlreicher Bemühungen, Meinungs- und Pressefreiheit auch in der Demokratie einzuschränken, sei der "historische Auftrag" der Burschenschaften nicht beendet, sie müßten Widerstand leisten, wenn die "Freiheit in Gefahr" sei.

Ebendiese Problematik der Freiheit nahm der zweite Redner Lutz Weinzinger zum Anlaß, um die Meinungsfreiheit in der heutigen Republik Österreich zu betrachten. Dabei legte er das Hauptaugenmerk darauf, daß offiziell die volle Meinungsfreiheit gewährleistet sei, dies jedoch de facto nicht zutreffe.

Mißverhältnisse in der Rechtsprechung

Dabei ging der Nationalratsabgeordnete aus Wien auf die Reaktion ein, die ihm entgegenschlage, wenn er sich als Zugehöriger zum deutschen Volk bekenne und öffentlich den Leitspruch der Deutschen Burschenschaft "Ehre-Freiheit-Vaterland" vertrete. So zog er das Fazit, daß die österreichischen Verhältnisse hinsichtlich der eingeschränkten Meinungsfreiheit mit denen in der Bundesrepublik Deutschland übereinstimmten.

Drastischer stellte Gisa Pahl, die letzte Referentin des Symposiums, die Verhältnisse anhand von Fakten dar. Die Rechtsanwältin aus Hamburg wies mit Urteilen des Bundesverfassungsgerichts auf das Mißverhältnis innerhalb der deutschen Rechtssprechung darauf hin, daß in Deutschland die Ahndung staatsfeindlicher Äußerungen eher ideologisch als objektiv betrachtet würden.

So ist zum Beispiel eine aktuelle Vertonung eines patriotischen Gedichtes von Adalbert Stifter, der im Jahr 1868 verstarb, indiziert worden, weil das Gedicht zu Zeiten des Nationalsozialismus erneut abgedruckt wurde. Hingegen seien Äußerungen wie "Deutschland verrecke!" und "Deutschland, wir tragen Dich zu Grabe!" erlaubt.

Die Jubiläumsveranstaltung machte deutlich, daß die Frage nach der Meinungsfreiheit in den 175 Jahren, die seit 1832 vergangen sind, kaum an Bedeutung verloren hat. Zwar gibt es keine Fürsten mehr, die ihre machtpolitische Stellung wahren wollen, dennoch ist auch heute die Freiheit immer wieder bedroht.

Foto: Kommers zur Erinnerung an das Hambacher Fest: Traditionsreicher akademischer Dachverband


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen