© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/07 06. April 2007

Vertane Chancen
Opposition: FDP, Grüne und Linksfraktion haben in Zeiten der Großen Koalition einen schweren Stand / Eine Bestandsaufnahme
Paul Rosen

Drei Oppositionsfraktionen bemühen sich im Bundestag, die Große Koalition zu stellen. Großartiges leisten FDP, Grüne und Linkspartei dabei bislang nicht. Natürlich gibt es keine Koalition in der Opposition, aber die Interessen und Programmatik der drei Fraktionen sind einfach zu verschieden, als daß es zu mehr als gelegentlichen Zweckbündnissen kommt. Die Regierungsfraktionen halten es wie die CSU in Bayern: Das bißchen Opposition machen sie bei Bedarf noch selbst.

Dabei haben die Oppositionsfraktionen sogar einiges anzubieten. FDP-Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle etwa zählt zu besten Rednern im Parlament. Und auch das rhetorische Talent des zur Linkspartei gewechselten früheren SPD-Chefs Oskar Lafontaine ist nicht zu unterschätzen. So könnten aus den Debatten des Bundestages Sternstunden des Parlamentarismus werden, denn gegen zentrale Vorhaben der Regierung wie die Gesundheitsreform und die Unternehmensteuerreform sowie die Ausweitung des militärischen Engagements in Afghanistan ließe sich einiges sagen. Doch Westerwelle dreht und wendet sich wie seine Partei, und Lafontaine fehlt es - wie es in seiner von ihm enttäuschten Fraktion heißt - an Fleiß.

Als reine Oppositionspartei ist am ehesten noch die Linksfraktion zu bezeichnen. Regierungsbeteiligungen auf Bundesebene lehnt sie bisher kategorisch ab und hält im Parlament einen strikten Nein-Kurs in wichtigen Fragen wie Wirtschaftsreformen und Auslandseinsätze durch. Den Abgeordneten mangelt es bisher aber auf vielen Feldern an Sachkenntnis. In den Ausschüssen des Bundestages spielt die Linksfraktion fast keine Rolle. Die Fraktion ist gespalten zwischen alter PDS und WASG. Trotz der Fusion beider Parteien sind die Mauern in den Köpfen noch hoch.

Linksfraktion droht Zerreißprobe

Die eigentliche Zerreißprobe könnte für die Linksfraktion kommen, wenn die Große Koalition kippen sollte. Rein rechnerisch gibt es im Bundestag eine linke Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken. Würde die Linkspartei einen Kanzler mitwählen, der nicht zur CDU gehört? Die Antwort ist bisher offen. Der offene Haß zwischen Lafontaine und seinen ehemaligen SPD-Genossen macht es allerdings schwer, sich ein rot-rot-grünes Bündnis vorzustellen. Durch die Fusion mit der WASG und das Ausfransen der SPD am linken Rand zugunsten der Opposition brauchen sich die Post-Kommunisten aber keine Sorgen mehr machen, den Einzug in den nächsten Bundestag wegen der Sperrklausel zu verfehlen. Bis zu zehn Prozent halten Demoskopen für möglich.

Die Grünen sind immer noch nicht in der Opposition angekommen. Bis auf ihren Altvorderen, den Ex-Außenminister Joschka Fischer, der sich aus der Politik verabschiedet hat, halten die meisten grünen Abgeordneten die Große Koalition bis heute für eine vorübergehende Panne und hoffen auf die Fortsetzung von Rot-Grün nach der Bundestagswahl. Trotz bekannter Politiker wie Renate Künast und Fritz Kuhn wirken die Grünen blaß. Ein gefestigtes Milieu führt aber dazu, daß sie in den Meinungsumfragen regelmäßig bei zehn Prozent liegen.

Die FDP, die Jürgen Möllemann einst auf Bundesebene zu 18 Prozent führen wollte, hat aus der Großen Koalition kaum Kapital schlagen können. Dem Frontmann Westerwelle gehen die Themen aus. Entweder ist die Partei zerstritten wie beim Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, oder sie muß Rücksicht auf die CDU nehmen, mit der sie in mehreren Bundesländern koaliert. Viele in der FDP-Fraktion sehen sich bereits in der nächsten Regierung und geben wenig Energie aus für die Oppositionsarbeit. Trotz ihrer Größe wirkt die FDP-Fraktion in den meisten Politikfeldern überfordert. Zum harten Schlagabtausch mit der Regierung ist sie nur in den seltensten Fällen fähig.

Die Opposition hatte ihre Chance. Im Zusammenhang mit dem Fall des aus Bremen stammenden Türken Murat Kurnaz hätte sie den damaligen Kanzleramtschef und heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) jagen und stellen können. Steinmeier dürfte die Hauptverantwortung tragen, daß Kurnaz jahrelang in Guantánamo von den amerikanischen Behörden festgehalten wurde. Es gibt genug Hinweise, die auf die Verantwortung des von Steinmeier damals geführten Kanzleramts deuten. Berlin wollte Kurnaz nicht, obwohl frühzeitig bekannt war, daß der Häftling nichts mit Terrorismus zu tun hatte. Steinmeiers Auftreten war schwach, aber die Opposition war noch schwächer, so daß sich der Minister bisher über Wasser halten kann.


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