© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/07 06. April 2007

Die vertrackte Pendlerpauschale
Steuerpolitik: Fahrtkosten zwischen Wohn- und Arbeitsort sind "privat" veranlaßt und daher nicht absetzbar
Klaus Peter Krause

Erst das Finanzgericht Niedersachsen (Az.: 8 K 549/06 und 7 V 21/07), vorige Woche dann das Finanzgericht Saarland (Az.: 2 K 2442/06): Beide halten die Kürzung der sogenannten Pendlerpauschale für verfassungswidrig. Nun muß das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob dies stimmt oder nicht. Es geht um die neue Pauschalregelung für den Abzug der arbeitstäglichen Pendelfahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei der Einkommensteuer.

Diese Kosten darf der Pendler seit Jahresbeginn nicht mehr absetzen. Das ist eine Folge des Steueränderungsgesetzes 2007 (vom 19. Juli 2006, BGBl I 2006, 1652), das die Bundesregierung durchgesetzt hat. Allerdings gibt es eine Härtefallregelung: Vom 21. Kilometer an sind die Fahrtkosten auch 2007 weiterhin absetzbar. Wer beispielsweise 60 Kilometer vom Arbeitsort entfernt wohnt, kann also nur für 40 Kilometer die Kosten geltend machen.

Geschuldet ist das Absetzen bestimmter Kosten dem Nettoprinzip. Denn besteuert werden darf nur nach der Leistungsfähigkeit. Diese Fähigkeit markiert nicht, was der Steuerbürger brutto verdient, sondern was er netto übrigbehält, also nach Abzug aller Aufwendungen, die zwangsläufig anfallen, um den Bruttoverdienst überhaupt zu ermöglichen. Auf dieses Prinzip verweisen auch die beiden Finanzgerichte, denn die Kläger wollen die Fahrtkosten für die gesamte Entfernung absetzen, also auch die der ersten 20 Kilometer. Mit dem Streichen dieser 20 Kilometer verstoße der Gesetzgeber gegen das Nettoprinzip und damit gegen den Grundsatz der Leistungsfähigkeit. Sämtliche Fahrtkosten müßten absetzbar sein. So sehen es auch die Finanzrichter. Die Regelung sei ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Artikel 3).

Allerdings läßt sich dem nur dann beipflichten, solange die Fahrtkosten als beruflich veranlaßt gelten. Das aber ist mehr als zweifelhaft. Daher geht es letztlich um eine Grundsatzentscheidung: Dürfen Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte überhaupt absetzbar sein? Sind diese Kosten wirklich beruflich veranlaßt? Oder sind es nicht doch privat veranlaßte Kosten? Wo man seine Wohnung nimmt (oder behält), ist durchweg eine rein private Entscheidung, und wie die Wohnkosten ohnehin privat veranlaßte und daher nicht absetzbare Kosten sind, sind es auch solche Kosten, die entstehen, weil man einen ganz bestimmten Wohnort gewählt hat. Zu diesen Kosten gehören damit auch jene, die entstehen, wenn man zu seinem vom Wohnort entfernten Arbeitsort fahren muß. Folglich sind auch sie nicht als Werbungskosten absetzbar.

Steuernachteil für die Vorteile des Wohnens im Grünen

Wer also in einer Stadt arbeitet, aber lieber auf dem Dorf wohnt, weil das Wohnen dort billiger, die Luft sauberer, die Umgebung stiller ist, nimmt die Fahrtkosten in Kauf, denn billigeres Wohnen, sauberere Luft und stillere Umgebung kompensieren sie. Wer dagegen in der Stadt nicht nur arbeitet, sondern auch wohnt, spart zwar Fahrtkosten, zahlt aber für das Wohnen mehr, nimmt schlechtere Luft in Kauf und erduldet die städtische Geräuschkulisse. Auch dies ist eine private Entscheidung, aber absetzbar sind die höheren Wohnkosten (als Pendant zu den Fahrtkosten) noch nie gewesen. Steuerlich also werden diese Städter ungleich behandelt.

Gewiß kann man sagen: Die Fahrtkosten sind beruflich veranlaßt, weil der Arbeitsort woanders liegt als der Wohnort. Man kann aber auch sagen: Sie sind privat veranlaßt, weil der Wohnort woanders liegt als der Arbeitsort. Damit sind die Fahrtkosten beides: beruflich und privat veranlaßt. Solche gemischt veranlaßten Aufwendungen abzusetzen, läßt das Steuerrecht nicht zu. Es gibt sie nämlich auch in anderen Fällen. Wenn zum Beispiel Unternehmen von ihren Mitarbeitern verlangen, im Büro mit Anzug und Krawatte zu erscheinen statt in Freizeitkluft, dann ist diese Kleidung steuerlich nicht abzusetzen, weil auch privat nutzbar. Anders bei der Robe des Anwalts, die dieser nur beruflich nutzt und folglich absetzen kann.

Wer Fahrtkosten vermeiden will, weil er sie nicht absetzen kann, muß seine Wohnung in unmittelbarer Nähe seiner Arbeitsstätte nehmen. In den allermeisten Fällen geht das natürlich nicht. Also ist eine gewisse Entfernung zwischen Wohnen und Arbeiten unumgänglich. Daraus ließe sich folgern, daß ein erzwungenes Wohnen in einem bestimmten unvermeidbaren Umkreis um die Arbeitsstätte herum stärker beruflich als privat veranlaßt ist. Das spräche dann dafür, die Fahrtkosten in diesem Umkreis als Werbungskosten anzuerkennen, aber nur in diesem Umkreis, nicht darüber hinaus. Daraus folgt ferner, daß die private Veranlassung um so größer ist, je weiter man von der Arbeitsstätte entfernt wohnt, und daß die berufliche Veranlassung ganz entfällt, wenn man außerhalb des unvermeidbaren Umkreises wohnt.

Sollte auch das Verfassungsgericht zu diesen Überlegungen kommen und daraus eine Grundsatzentscheidung machen, würden die Kläger allerdings genau das Gegenteil des Erstrebten erreichen: Steuerlich anerkannt würden nur die ersten 20 Kilometer und nichts darüber hinaus, und der Staat müßte die heutige Regelung genau umkehren. Hielte es dagegen an der Fiktion des Gesetzgebers fest, nur Fahrtkosten vom 21. Kilometer an seien beruflich veranlaßt, wird es schwerlich umhinkönnen, die neue Pauschalregelung für verfassungswidrig zu erklären. Dann wüßte die Große Koalition, daß sie Murks gemacht hat - wieder einmal. Ohnehin ist es absurd, daß man die Kosten für eine Zweitwohnung in Arbeitsplatznähe voll absetzen kann, die Fahrtkosten innerhalb des 20-Kilometer-Wohnumkreises aber nicht.

Die Entscheidung des Finanzgerichtes des Saarlandes kann per Fax unter der Rufnummer 0681 / 5 01 55 95 oder elektronisch unter der E-Post-Adresse poststelle@fg.justiz.saarland.de angefordert werden.

Der Bund der Steuerzahler rät allen Betroffenen, Einspruch gegen die Kürzung des Freibetrags einzulegen. Ein Musterschreiben steht bereit unter: www.steuerzahler.de/webcom/show_softlink.php/_c-33/i.html 


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