© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/07 13. April 2007

Realität vor Augen
von Curd-Torsten Weick

Es hatte alles noch so forsch begonnen. Am 9. April 2003 marschierten US-Truppen in Bagdad ein, und Monate später erklärte die inthronisierte irakische Übergangsregierung diesen Tag zum offiziellen Feiertag. Nur zum Feiern ist - abgesehen vom kurdischen Nordirak - schon lange niemandem mehr zumute. Weder im Irak noch in den USA. Vier Jahre nach dem Sturz des Saddam-Regimes herrscht das gewohnt blutige Chaos von Gewalt und Terror. Ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Die Zeichen stehen auf Eskalation. Denn just während Washington seinen Truppen im Irak mehr Finanzmittel zur Verfügung stellt, wächst der Unmut der Bevölkerung ins Unermeßliche. Allein schon die stete Stromknappheit und der allgegenwärtige Trinkwassermangel verstärken den Ruf nach Veränderungen und gipfeln Umfragen zufolge in dem fast einhelligen Wunsch nach einem Abzug der US-Truppen.

In diesem Gewirr von Gewalt und Verzweiflung einen "Tag der Befreiung" zu feiern, schien dann auch der irakischen Regierung zu riskant. Die Realität vor Augen und Ruhe im Blick, strich sie den Feiertag kurzerhand von der Liste. Doch Fahrverbote und Ausgangssperren konnten nicht verhindern, daß Zehntausende dem Aufruf des radikalen Schiiten-Führers al-Sadr folgten. Telegen, mit Tausenden irakischen Fahnen bestückt, zogen sie durch die Pilgerstadt Nadschaf, protestierten - friedlich - gegen die US-Truppenpräsenz und gaben so dem 9. April eine neue Bedeutung.


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