© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/07 20. April 2007

Deutliche Entscheidung
Kinderbetreuung: Katholische Bischöfe fordern mehr Krippenplätze / Christliche Erziehung
Wolfgang Fenske

Überraschend deutlich votierte die katholische Deutsche Bischofskonferenz auf ihrer Frühjahrs-Vollversammlung in der vergangenen Woche für einen flächendeckenden Ausbau des Krippenplatzangebotes. Die Bischöfe sprachen sich dafür aus, daß der Staat eine "echte Wahlfreiheit der Eltern" ermöglichen solle und Familien "weder offen noch unterschwellig" zu einem Modell der Kinderbetreuung gedrängt werden dürften. Seit jeher trete die Bischofskonferenz für die Belange der Familien ein und fordere deren Schutz und Unterstützung durch die Politik.

Bemerkenswert an diesem Vorgang ist vor allem, daß sich die Bischöfe dem Wortlaut nach tatsächlich nur zu den Aufgaben des Staates geäußert haben. Denn nur so konnte sich selbst der Augsburger Bischof Walter Mixa, der in der Einführung eines flächendeckenden Krippenplatzangebotes noch unlängst eine Degradierung der Frau zur "Gebärmaschine" erblickte und die Pläne von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) "gegen die Würde der Frau" gerichtet sah, durch das Votum der Bischofskonferenz "hundertprozentig unterstützt" fühlen.

Kolportiert und verstanden freilich wurde die Resolution der Bischöfe ganz anders, nämlich in dem Sinne, daß auch die katholische Kirche selbst künftig in ihren Institutionen eine "echte Wahlfreiheit" ermöglichen wolle. Davon jedoch steht in der Erklärung der Bischöfe kein Wort - doch eben auch nichts darüber, wie denn die katholische Kirche ihre künftige Rolle im staatlich organisierten Kinderbetreuungsangebot sieht.

Unwidersprochen gebliebene Interpretation

Wenn nicht schon die unwidersprochen gebliebene Interpretation der Bischöfe durch die Medien Indiz genug wäre, würde spätestens ein Blick in die Wirklichkeit von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft deutlich machen, daß sich die großen Kirchen - und keineswegs nur die katholische - längst darauf beschränken, dem Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben behilflich zu sein.

Von einem kirchlichen Selbstbewußtsein, geschweige denn einem christlichen Missionsauftrag ist man angesichts eines solchen Selbstverständnisses freilich weit entfernt. Eine christliche Erziehung, die sich bereits an Tischgebet, Beschäftigung mit biblischen Erzählungen oder Kindergottesdiensten festmachen ließe, ist auch in kirchlichen Kindertagesstätten keineswegs selbstverständlich. Auch dürfte es zumindest in den städtischen Ballungsräumen kaum eine Kindertagesstätte in kirchlicher Trägerschaft geben, in der nicht mit Rücksicht auf muslimische Kinder auf Schweinefleisch verzichtet würde. "Kirchlich" ist in diesen Fällen einzig die offizielle Trägerschaft - ohne daß dies Auswirkungen auf Betreuungskonzepte und Bildungsinhalte haben müßte.

Daß die katholischen Bischöfe (einschließlich Walter Mixa aus Augsburg) nun freudig einwilligen, daß die in ihrer Trägerschaft befindlichen Einrichtungen in das staatliche Konzept der "echten Wahlfreiheit" integriert werden, verheißt nichts Gutes. Von der Kirche erwartet man zu Recht ein eigenes, unverwechselbares Profil, das die Angebote anderer in ganz spezifischer Weise ergänzt.

Solange die Kirchen ihre Rolle im Konzert der öffentlichen Träger nicht gefunden haben, bleiben sie dem Volk - und insbesondere den Kindern, die ihre Einrichtungen besuchen - das Wesentliche schuldig. Auf dieses Problem keine Antwort gefunden, ja nicht einmal die Frage danach gestellt zu haben, ist das eigentliche Versäumnis der Bischöfe.

Foto: Augsburgs Bischof Walter Mixa: "Gebärmaschine"


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