© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/07 20. April 2007

Die Rote Zora und ihre Enkel
Linksextremismus: Bewährungsstrafe für Terroristin Adrienne G. / Gewalttätige Auseinandersetzungen am 1. Mai befürchtet
Clemens Taeschner

In Berlin kreuzen sich derzeit die Wege des Linksterrorismus der siebziger und achtziger Jahre mit denen der aktuellen Terroristengeneration. Während einer Veteranin des linken Terrors nach zwanzig Jahren der Prozeß gemacht wurde, rüsten sich deren geistige Enkel erneut für gewalttätige Auseinandersetzungen mit dem Staat.

Vor dem 1. Strafsenat des Berliner Kammergerichts wurde am Montag ein ehemaliges Mitglied der linksradikalen feministischen Terrorgruppe Rote Zora, die 58 Jahre alte Adrienne G., zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, nachdem sie sich Ende vergangenen Jahres nach fast zwanzig Jahren aus dem Untergrund zurückgemeldet hatte.

Ihre Anwältin Edith Lunnebach hatte vor Prozeßbeginn über den Richter Jürgen Warnatsch mit der Bundesanwaltschaft einen Vergleich ausgehandelt, dem zufolge sich die Angeklagte lediglich für ihre Beteiligung an den zwei - mißglückten - Sprengstoffanschlägen verantworten mußte: 1986 auf das Gentechnische Institut in Berlin-Dahlem und auf ein Verwaltungsgebäude des Bekleidungskonzerns Adler in Aschaffenburg im Jahre 1987. Beide Male hatte der Zündmechanismus versagt. Zur Absprache gehörte die Zusicherung, bei der Strafzumessung nicht über eine Bewährungsstrafe hinauszugehen.

Ausgespart blieben damit die Fragen nach ihrer weiteren Täterschaft für die Rote Zora, eine Gruppierung, die 1977 als feministischer Arm der linksextremistischen Terrororganisation Revolutionäre Zellen hervorgetreten war. Bis zum Februar 1988 hatte sich die Rote Zora zu 45 Sprengstoff- und Brandanschlägen bekannt, heute gilt sie als zerschlagen. Die Revolutionären Zellen selbst hatten in Deutschland zwischen 1973 und 1995 insgesamt 186 Anschläge verübt. Perfide Charakteristik dieser Organisation waren die sogenannten "Knieschuß"-Attentate, durch die das Opfer schwer verletzt und arbeitsunfähig gemacht werden sollte. Auf diese Weise fiel der hessische Wirtschaftsminister Heinz Herbert Karry, 1981 einem Attentat zum Opfer. Der "Türsteher des Kapitalismus" war in seiner Wohnung im Schlaf angeschossen worden. Karry verblutete, die Täter wurden bis heute nicht gefaßt, obwohl immer mal wieder neue Spuren auftauchten. So wurde auch eine Verbindung zum Grünen-Politiker und späteren Außenminister Joschka Fischer hergestellt: Dessen Auto soll im Jahre 1973 für den Transport der späteren Tatwaffe verwendet worden sein.

In Berlin war zuletzt 1986 dem Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Harald Hollenberg, in die Beine geschossen worden. Nur ein Jahr später suchte sich die linksmotivierte Gewalt gegen den Staat und die Ordnungskräfte neue Bahnen. Während des Straßenfestes zum 1. Mai 1987 war im Berliner Bezirk Kreuzberg die Situation eskaliert: Rund 900 Autonome hatten sich Straßenschlachten mit der Polizei geliefert und Autos angezündet. Bis tief in die Nacht hatten sich seinerzeit die linken Gewalttäter einen Straßenkampf mit der Polizei geliefert; ein Gewaltritual, das sich in den nachfolgenden Jahren wiederholen sollte. Dieses Jahr nun stehen "20 Jahre Krawalle" an, und die wollen von den gewaltbereiten Linksautonomen entsprechend "gefeiert" werden. Obwohl allenthalben zahlreiche Aufrufe unverhohlen zur "aktiven" Teilnahme aufrufen, versuchen Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch die Gefährdungslage herunterzuspielen. Dabei häufen sich in jüngster Zeit die Übergriffe und Gewalttaten aus linkextremistischen Kreisen (JF 13/07). So verübt derzeit die linksradikale Terrororganisation militante gruppe (mg), gegen die das BKA bereits seit 2001 ermittelt, zahlreiche Brandanschläge. Zuletzt hatte sich die Gruppe zu dem Anschlag vom 15. Januar dieses Jahres auf Fahrzeuge der Bundespolizei in Oranienburg (Oberhavel) bekannt. Im Bekennerschreiben interpretierten die Militanten ihren Anschlag als unterstützenden Beitrag für "die im Entstehen begriffene militante Kampagne gegen den G8-Gipfel". Dieser dürfte auch bei vielen Veranstaltern des "revolutionären 1. Mai" eine große Rolle spielen.

Wieviel Polizei dann zum Einsatz kommt, ist noch ungewiß. In letzter Zeit befanden sich die Polizeikräfte mehrfach in der Defensive. So kam es Ende März in Stadtteil Friedrichshain zu einem Krawall von 200 Randalierern, die Barrikaden errichteten, Autos und Mülltonnen anzündeten. Über eine Stunde wurde die Polizei nicht Herr der Lage.

Ähnliche Szenen spielten sich vergangene Woche im Stadtteil Prenzlauer Berg ab. Im Mauerpark geriet die Polizei ebenfalls in Bedrängnis. Ganze 16 Beamte sahen sich ungefähr 50 "erlebnisorientierten" alkoholisierten Jugendlichen aus der Antifa-Szene gegenüber. Diese hatten aus Bauzäunen und brennenden Müllcontainern Barrikaden errichtet, die der Polizei den Zugang versperren sollte. Während die Polizei die Beruhigung der Lage nach eineinhalb Stunden als Erfolg vermeldet, faßte das Boulevardblatt Berliner Kurier das Geschehen in einfache Worte: "Mauerpark-Mob schlug Polizei in die Flucht".

Foto: Krawalle am 1. Mai in Berlin (2001): Vor zwanzig Jahren brannten zum ersten Mal Barrikaden


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