© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/07 20. April 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Auch Europa braucht Grenzen
Andreas Mölzer

Der umstrittene Beitritt der EU zur Türkei zählt zu jenen Bereichen, bei denen der Gegensatz zwischen der Brüsseler Eurokratie und den europäischen Bürgern am auffälligsten zutage tritt. Während es des Erweiterungsfanatikern in der Brüsseler Zentrale offenbar nicht schnell genug gehen kann, dieses außereuropäische islamische Land aufzunehmen, reagieren die Bürger auf dieses Vorhaben mit wachsendem EU-Verdruß. Zuvor sorgte bereits die überhastete Erweiterungsrunde 2004 sowie die Aufnahme Rumäniens und Bulgariens zu Beginn diesen Jahres für Unmut.

Nun forderte der neue niederländische Europaminister Frans Timmermans vor dem Verfassungsausschuß des Europäischen Parlaments, dem EU-Vertrag strengere Beitrittskriterien hinzuzufügen. Damit sollen die Ängste der Bürger abgebaut werden. Bei genauerer Betrachtung erweist sich der Vorschlag des Sozialdemokraten nur als Beruhigungspille. Denn bereits 1993 versuchte die EU mit den "Kopenhagener Kriterien" Standards festzulegen, die aufnahmewillige Länder zu erfüllen haben. Und trotz der klaren Forderung nach einer demokratischen, rechtsstaatlichen Ordnung, nach einer funktionierenden Marktwirtschaft und der Übernahme aller Rechtsvorschriften der EU konnten die Kopenhagener Kriterien die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. So konnte Tschechien im Jahre 2004 der EU beitreten - trotz der weiterhin gültigen völker- und menschenrechtswidrigen Beneš-Dekrete aus dem Jahre 1945.

Wenn dem Erweiterungswahn Einhalt geboten werden soll, dann ist eine klare Festschreibung der maximalen geographischen Ausdehnung der EU unumgänglich. Eine Umsetzung des Timmermans-Vorschlags wäre nur eine kosmetische Korrektur der Kopenhagener Kriterien, zumal die Interpretation deren Inhalts großen Spielraum zuläßt.

Entgegen dem in Brüssel herrschenden Wunschdenken ist die EU-Erweiterung kein Wert an sich, sondern die europäische Integration muß sich auf Staaten beschränken, die historisch, geistig-kulturell und geographisch dazugehören und die sich gegenüber den christlichen Werten, dem Erbe der Kulturen und den Traditionen der europäischen Zivilisation verpflichtet haben. Folglich hat die EU mit dem Kandidaten Kroatien sowie dem Balkan und den baltischen Staaten ihre größtmögliche Ausdehnung erreicht.

Aus den erwähnten geistig-kulturellen Kriterien ergibt sich auch die Verpflichtung zum Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit Ankara. Weil die Türkei einerseits aufgrund ihrer Verhaftung in den morgenländischen Traditionen kein Mitglied der EU sein kann, dieses Land aber andererseits für Europa insbesondere in wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Fragen ein wichtiger Partner ist, wäre Brüssel gut beraten, nach anderen Formen der Zusammenarbeit mit der Türkei zu suchen.

Eine entsprechende privilegierte Partnerschaft könnte wiederum Modellcharakter für die Gestaltung der Beziehungen zu Weißrußland und der Ukraine haben, wobei sich für Brüssel jedoch die Verpflichtung ergibt, Rußlands legitime Einflußsphäre im post-sowjetischen Raum zu achten. Ein EU-Beitritt dieser beiden osteuropäischen Länder ist wegen der gebotenen Rücksichtnahme auf Moskau, dem wichtigsten geopolitischen Partner der EU, auch aus diesem Grund abzulehnen.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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