© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/07 20. April 2007

CD: Rock
Dorn im Ohr
Dominik Tischleder

Harte Rockklänge waren natürlich spätestens ab Mitte der Siebziger Jahre auch in der DDR beliebt. Liebhaber derartiger Musik waren meist auf Geschenke aus dem Westen angewiesen, 1977 erschien als Zugeständnis der Behörden an die vielen Hörer auf Amiga, der Monopol-Plattenfirma der DDR, eine LP von Deep Purple, offiziell lizenziert vom Klassenfeind. Es sollte jedoch noch bis 1985 dauern, bis es mit Formel 1 einer lupenreinen DDR-Heavy-Metal-Band gestattet wurde, zwei Kompositionen auf Vinyl zu pressen, obgleich sich die ersten Rockgruppen kaum später als ihre westlichen Landsleute schon Anfang der Achtziger gründeten.

Eine der beliebtesten Gruppen der Zeit war Macbeth. Sie gründete sich 1985 in Erfurt. Alle aktiven DDR-Bands mußten, bevor sie öffentlich auftreten oder etwas aufnehmen durften, sich einer sogenannten "Einstufungs-Kommission" stellen, die darüber entschied, ob das Gebotene den "sozialistischen Kulturauftrag" erfülle. Macbeth nahmen diese Hürde und spielten fortan mit ihrem charismatischen Sänger Detlev Wittenburg einige Konzerte. Da jedoch die Gruppe zu den wenigen in der DDR zählte, die den bei der Obrigkeit unbeliebten Metal spielten, herrschte bei ihren Konzerten ein dementsprechender Andrang, und so kam es 1986 nach einem Konzert in Erfurt zu Ausschreitungen enttäuschter Fans, die nicht mehr in den Saal durften.

Das Verbot der Gruppe ließ nicht lange auf sich warten. Man kündigte ihr den Proberaum, erteilte dem Band-LKW keine Zulassung und bestrafte sie darüber hinaus noch mit einem empfindlichen Bußgeld. Somit war das Ende von Macbeth vorerst besiegelt. Unter der Auflage, sich umzubenennen, durfte es dann dennoch ein Jahr später mit Caiman, wie sie sich jetzt nannten, weitergehen. Doch die Stasi beobachtete sie weiter mit Argusaugen. Sänger Wittenburg mußte 1988 für ein Bagatelldelikt über eineinhalb Jahre ins Gefängnis. Zu Wendezeiten wurde er als gebrochener Mann entlassen. Kurze Zeit später beging er Selbstmord.

Das frisch erschienene Album "Zeit der Zeiten (1985-1989)" faßt nun diese ereignisreichen Jahre Macbeths zusammen. Zu hören gibt es die ersten Demoaufnahmen, Impressionen aus dem Proberaum und Mitschnitte aus dem DDR-Jugendradio DT 64 mitsamt heute etwas skurril wirkenden Anmoderationen. Da darf man natürlich keine Tonqualität erwarten, wie sie heute Standard ist, aber das ist auch nicht der Sinn der Sache. "Zeit der Zeiten" besticht durch seine Authentizität, sein dokumentarischen Wert und schlicht durch die musikalischen Fähigkeiten Macbeths. Ihr Stil war brachial, düster und orientiert an Bands wie Saxon oder Grave Digger. Im Unterschied zu ihren Kollegen aus dem Westen sang die Gruppe fast ausschließlich auf deutsch, was ihre Musik mitunter wie einen Vorgriff auf die "Neue Deutsche Härte" (Rammstein etc.) wirken läßt. Ein gewisser Ernst ist in ihrer Musik und nicht zuletzt in ihren ungekünstelten Texten immer spürbar. "Bomber" etwa handelt von nicht näher bestimmten Luftangriffen des Zweiten Weltkriegs auf eine schutzlos ausgelieferte Zivilbevölkerung. Der Band zufolge sorgte vor allem dieses Lied dafür, daß sich anfangs eine 80jährige Musikdozentin der Kommission für sie einsetzte.

Interessant auch das der CD beigefügte Heft sowie der Internetauftritt der Gruppe (www.macbeth-music.de), wo sich die bewegte Geschichte der unbeugsamen Macbeth mitsamt Auszügen aus den Stasi-Akten nochmals nachlesen läßt.

2002 wurde Macbeth abermals durch zwei Gründungsmitglieder neu zum Leben erweckt. Letztes Jahr erschien das Debütalbum dieser zweiten Inkarnation. Nach wie vor spielt man Metal mit guten deutschen Texten, doch Macbeth sind nun eine Band unter vielen.


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