© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/07 20. April 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Weltkulturerbe
Karl Heinzen

Die von der EU-Kommission geförderte Initiative Culturcooperation e.V. möchte die Frage nach dem Eigentum an archäologischen Schätzen nicht allein juristisch, sondern auch moralisch beleuchtet sehen. Was auf dem Papier als rechtlich hieb- und stichfest erscheinen mag, ist nämlich durchaus mit einem Fragezeichen zu versehen, sobald man in Betracht zieht, daß die großen europäischen Antikensammlungen und ethnologischen Museen den Löwenanteil ihrer Bestände in einer Zeit erwarben, in welcher der alte Kontinent aus dem Bewußtsein bornierten Herrenmenschentums heraus die heutigen Völkerschaften im Siedlungsraum der alten Hochkulturen schurigelte und im Geschäftsverkehr mit ihnen die Prinzipien des ehrbaren Kaufmannes hintanstellte.

Unter dem Motto "Nofretete geht auf Reisen" will die Culturcooperation e.V. nun dafür sorgen, daß sich das schlechte Gewissen, das die Europäer ob der Raubzüge ihrer Vorfahren zunehmend beschleicht, wenigstens in einer symbolträchtigen Geste niederschlägt. Der Verein appelliert an Staatsminister Bernd Neumann, den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, sich dafür einzusetzen, daß die im Alten Museum in Berlin ausgestellte Porträtbüste der mutmaßlichen Mitregentin und Nachfolgerin Echnatons nach Kairo ausgeliehen und in Zukunft wechselweise in der ägyptischen und der deutschen Hauptstadt gezeigt wird.

Leider ist dieser Vorschlag aber alles andere als unproblematisch. Dabei muß man gar nicht einmal auf das höhere Risiko abheben, dem die Büste beim beständigen Hin und Her zwischen Berlin und Kairo ausgesetzt würde. Bekanntlich sind Kulturgüter in der Vergangenheit ja immer wieder auch beschädigt oder zerstört worden, ohne daß man sie eigens auf Reisen schickte.

Bedenklich stimmt vielmehr, daß die Einschränkung fragwürdiger deutscher Besitzansprüche mit einer Aufwertung nicht minder fragwürdiger ägyptischer einhergeht. Die Arabische Republik Ägypten steht staatsrechtlich und ethnisch kaum in einem engeren Zusammenhang mit dem Pharaonenreich aus dem 14. Jahrhundert vor der Zeitwende als die Bundesrepublik Deutschland. Und selbst wenn dies anders wäre: Daß Eigentum Diebstahl ist, gilt in besonderem Maße für Kulturschätze. Sie gehören zum Welterbe und sind daher im Prinzip allen Menschen zugänglich zu machen.

Wer dem Mißbrauch, der mit der Nofretete-Büste jahrzehntelang getrieben wurde, wirklich ein Ende setzen will, muß sie daher auf unaufhörliche Wanderschaft um den ganzen Erdball schicken.


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