© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/07 20. April 2007

Der Moskaubesuch verlief enttäuschend
Von der Haustochter zum Revuestar: Jutta Jacobi legt endlich eine lesenswerte Biographie Zarah Leanders vor
Ulf Lenz

An Verfasser von Schauspieler-Biographien legt man keine hohen Maßstäbe an. Denn allzu oft kolportieren sie nur, was ihre Protagonisten mit Hilfe von "Ghostwriters" bereits "autobiographisch" der Leserschaft an Klatsch und Anekdoten zugemutet haben.

Diese Faustregel gilt auch im Fall der "singenden Garbo" Zarah Leander. Das Beste, weil aus eigenem Fundus des fanatischen Sammlers gespeiste und nicht vom Selbstbildnis seiner Heldin abhängige Porträt bieten Paul Seilers Arbeiten, die aber über den Rang von "Materialien" nicht hinauskommen. Friedemann Beyer, der für Sibylle Schmitz, "die Rätselhafte", ein glücklicheres Händchen bewies, gelang es bei der schwedischen "Mega-Frau" immerhin, einige Hinweise auf historische Kontexte zu geben, die Entstehen wie Erfolg dieser "Kunstfigur" begünstigten. Dagegen ging dann bei Micaela Jary 1993 alles wieder im vertrauten Geschwätz unter.

Diese triste Bilanz hellt nun Jutta Jacobis Lebensbeschreibung deutlich auf. Sie legt überhaupt die erste Biographie Zarah Leanders vor, die diesen Namen verdient. Dabei hat die promovierte Germanistin nichts weiter getan, als sich auf die Standards zu besinnen, die für jede zeitgeschichtliche Arbeit gelten, will sie wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.

Der unabdingbar erste Schritt führt daher zu den Quellen. Paul Seilers Archiv, heute im Potsdamer Filmmuseum zugänglich, ist dafür unentbehrlich, ebenso das Stockholmer Statens ljud- und bildarkiv wie das Wiener Theatermuseum. Daß die in Hamburg und Stockholm lebende Autorin der schwedischen Sprache mächtig ist, kommt der Quellenauswertung genauso zugute, wie es den Umgang mit Zeitzeugen erleichtert, unter denen Zarah Leanders älterer Bruder, Oberstleutnant a. D. Jonas Hedberg, Jahrgang 1903, sicher die glücklichste Entdeckung ist. Dank dieser fleißigen Quellenerschließung und viel oral history vermag Jutta Jacobi den bislang nur fragmentarisch bekannten schwedischen Karriereweg Zarah Leanders bis zu ihrem Wechsel nach Wien (1936) akribisch zu rekonstruieren, wobei sie den gesellschaftlichen Verhältnissen im värmländischen Provinznest Karlstad und dem Stockholmer Theatermilieu viele Zeilen gönnt.

Bevor aus der Värmländerin Sara Hedberg der schwedische Revue- und Filmstar Zarah Leander wurde, hielt sie sich 1924 "au pair" in Riga auf - um Deutsch zu lernen. Es zeugt von Jacobis Gründlichkeit, daß diese Lebensepisode nicht fehlt. Als "Haustochter" lebt sie dort bei einem schwedischen Diplomatenpaar, das bolschewistischen Mördern knapp entkommen war. Locker schlägt Jacobi von hier den Bogen zu einem "enttäuschenden" Moskaubesuch (1935), um dann mit jüngsten Gerüchten über Zarah Leander als "Spionin Stalins" aufzuräumen. Ähnlich souverän weist sie die vom unsäglichen Guido Knopp aufgewärmten "Anklagen" Cinzia Romanis und Karsten Wittes zurück, "künstlerischer Mittelpunkt" des NS-Reiches gewesen zu sein: Daran könne man wohl zweifeln!

Die Konzentration auf die "schwedische Zarah" läßt ihre Ufa-Zeit zu sehr in den Hintergrund treten. Für eine umfassende Zarah-Leander-Biographie bleibt also noch viel Spielraum, aber Jutta Jacobi hat die Weichen in die richtige Richtung gestellt.

Jutta Jacobi: Zarah Leander. Das Leben einer Diva. Hoffmann und Campe, Hamburg 2006, gebunden, 287 Seiten, s/w-Abb., 22 Euro

Foto: Zarah Leander mit den Büsten ihrer Kinder Boel und Göran


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