© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/07 27. April 2007

Gesprochen wie Le Pen
Frankreich: Im Duell Sarko gegen Ségo hat der Ex-Innenminister die bessere Ausgangsposition
Alain de Benoist

Nun läuft es also doch auf den Zweikampf "Sarko gegen Ségo" hinaus. Nach einem Wahlkampf, der bis zuletzt unentschieden war (elf Prozent der Wähler trafen ihre Wahlentscheidung erst unmittelbar vor der Stimmabgabe), werden sich die beiden ursprünglichen Favoriten, Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal, am 6. Mai bei der Stichwahl gegenüberstehen.

Dem Chef der bürgerlichen Regierungspartei UMP werden allgemein die besseren Aussichten zugesprochen. Mit 31,1 Prozent der Stimmen, zwölf Prozent mehr, als Jacques Chirac vor fünf Jahren in der ersten Runde erreichte, hat der Ex-Innenminister ein Ergebnis erzielt, das sich nicht allein durch seinen entschlossenen Wahlkampf oder durch den unbestreitbaren Rechtsrutsch in der französischen Politik erklären läßt - sondern vor allem durch Jean-Marie Le Pens schwaches Abschneiden.

Sarkozy kennt keine Berührungsängste

Der Vorsitzende des Front National (FN) hatte ohnehin kaum Chancen, seinen Erfolg von 2002 zu wiederholen und abermals in die Stichwahl zwischen den zwei Spitzenkandidaten aus der ersten Wahlrunde einzuziehen. Diesen verdankte er seinerzeit hauptsächlich der Zersplitterung der Linken. Mit nur 10,5 Prozent erzielte er diesmal sein schlechtestes Ergebnis bei einer Präsidentschaftswahl und verlor gegenüber 2002 eine Million Wähler. Parteiinterne Kritiker der "Linie" seiner Tochter Marine Le Pen werden in dieser Niederlage zweifellos die Strafe für die neuen Impulse sehen, die diese dem FN geben wollte. Damit liegen sie jedoch falsch. So paradox es klingt, Le Pens Scheitern ist der "geistigen Lepenisierung" Frankreichs geschuldet. Während Chirac stets jede noch so geringe Annäherung an den FN vermied, kennt Sarkozy keine solchen Berührungsängste, sondern hat immer wieder "gesprochen wie Le Pen". Dadurch konnte er dem FN-Chef zunächst seine Ideen und dann seine Wähler abspenstig machen. Eine Umfrage ergab, daß 26 Prozent der FN-Anhänger sowie 37 Prozent der Angestellten und 39 Prozent der Führungskräfte, die 2002 Le Pen ihre Stimme gegeben hatten, diesmal Sarkozy wählen wollten.

Die extreme Linke hat ebenfalls eine Katastrophe erlebt. Insgesamt entfielen auf ihre sechs Kandidaten lediglich 10,8 Prozent der Stimmen. Nicht ganz unberechtigt betrachten sie sich als Opfer eines taktischen Stimmverhaltens, das die Mehrzahl der linken Wähler dazu veranlaßte, in der ersten Runde für Ségolène Royal zu stimmen, um eine Wiederholung von 2002 zu verhindern, als ihr politisches Lager in der Stichwahl gar nicht mehr vertreten war. Insofern war die erste Wahlrunde von 2007 zugleich die "dritte Runde" von 2002.

In der zweiten Runde hat Sarkozy einige Trümpfe in der Hand, angefangen bei dem unerwarteten Vorsprung von sechs Prozentpunkten, der ihn schon jetzt von seiner Rivalin trennt. Vor allem aber verfügt er über Wählerreserven, die ihr fehlen. Zählt man zu seinen Stimmen 31 Prozent aus der ersten Runde die Hälfte der Wähler des christliberalen François Bayrou (neun Prozent) sowie etwa 80 Prozent der für Le Pen und Philippe de Villiers abgegebenen Stimmen hinzu, so ist ihm bereits eine virtuelle Mehrheit sicher.

Weniger gut sieht es für Royal aus. Das Gesamtergebnis der Linken liegt wie schon 2002 bei etwa 36 Prozent. Um es entscheidend zu verbessern, müßte sie bis zum 6. Mai mindestens die Hälfte von Bayrous Wählern sowie all jene hinter sich bringen, deren Motto von Anfang an lautete: "Alles außer Sarkozy!" Sarkozy polarisiert die Gemüter, und die einzige Hoffnung der Sozialistin besteht darin, ihre Kandidatur als eine Art "Volksabstimmung gegen Sarkozy" zu inszenieren. Somit markiert diese Wahl das Ende einer Epoche: nämlich der "vereinigten Linken". Da die Kommunistische Partei (PCF) vor dem Ruin steht, können die Sozialisten (PS) nicht länger darauf vertrauen, aus linken Gruppierungen wieder eine Mehrheit zu schmieden. Statt dessen sehen sie sich gezwungen, ihre Positionen der politischen Mitte anzunähern.

Vorübergehende Rückkehr zur alten Bipolarisierung

Bayrou hat die Stichwahl verfehlt. Mit 18,5 Prozent der Stimmen und mehr als sieben Millionen Wählern - nachdem er mit Umfragewerten von sechs Prozent in den Wahlkampf eingestiegen war - erreichte er jedoch das beste Ergebnis, das jemals ein Kandidat der Mitte in einer Präsidentschaftswahl erzielen konnte. Er wird in der Stichwahl zwar nicht vertreten, aber dennoch gewissermaßen das Zünglein an der Waage sein. Denn den Ausschlag dürften die Stimmen seiner Wähler geben. Bayrou, den zuvor die Rechte als Linken und die Linke als Rechten verunglimpft hat, wird in den nächsten zwei Wochen in beiden Lagern der am heftigsten umworbene Politiker Frankreichs sein.

Wenngleich das Ergebnis der ersten Runde keine Überraschung war, bleibt dies doch eine in zweifacher Hinsicht untypische Wahl. Während in den letzten Jahren die Wahlbeteiligung stetig abfiel, lag sie diesmal bei etwa 85 Prozent, höher als je zuvor seit Beginn der Fünften Republik. Zweifellos liegt dies daran, daß die Kandidaten größtenteils einer "neuen Generation" angehören. Zweitens lassen zwar Umfragen darauf schließen, daß die Rechts/Links-Spaltung eine überholte politische Kategorie ist und die Mehrzahl der Franzosen weder dem rechten noch dem linken Lager eine Lösung ihrer Probleme zutraut. Die Stichwahl bedeutet eine vorübergehende Rückkehr zu jener Bipolarisierung, die mit Bayrous Erfolg im Wahlkampf endgültig aufgehoben schien.

Sarkozy ist nun bemüht, "das französische Volk um einen französischen Traum zu sammeln", während Royal angesichts der Perspektive einer "härteren" Gesellschaft mehr denn je die Rolle der mütterlichen Beschützerin spielen wird. Beide werden weit außerhalb ihres jeweiligen politischen Lagers auf Stimmenfang gehen - denn alles wird sich in der Mitte entscheiden.

 

Vorläufiges Ergebnis der Präsidentschaftswahlen vom 22. April 2007:

 

Ségolène Royal 25,8%
Sozialisten (PS)

Nikolas Sarkozy 31,1%
Bürgerliche Regierungspartei(UMP)

 

Wahrscheinliche Stimmenwanderung zur Stichwahl am 6. Mai 2007:

François Bayrou 18,6% -> Sarkozy oder Royal
christliberales Zentrum (UDF)

Jean-Marie Le Pen 10,5% -> Sarkozy oder Royal
rechter Front National (FN)

Olivier Besancenot 4,1% -> Royal
Trotzkist, Kommunistische Liga (LCR)

Philippe de Villiers 2,2% -> Sarkozy
Rechtsnationaler Monarchist (MPF)

Marie-George Buffet 1,9% -> Royal
Kommunistische Partei (PCF)

Dominique Voynet 1,6% -> Royal
linke Grüne

Arlette Laguiller 1,3% -> Royal
Trotzkistin, Lutte Ouvrière (LO)

José Bové 1,3% -> Royal
linker Globalisierungsgegner

Frédéric Nihous 1,2% -> Sarkozy
Partei für Jagd, Fischfang, Natur und Tradition (CPNT)

Gérard Schivardi 0,3% -> Royal
parteilos, für trotzkistische Arbeiterpartei (PT)


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen