© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/07 04. Mai 2007

"Das ist eure Chance"
Landtagswahl: Kärntens Regierungschef Jörg Haider unterstützt den Wahlkampf von "Bremen muß leben" / Gute Umfrageergebnisse
Christian Dorn

Für Besucher des Stadtstaates Bremen könnte das Bild nicht symbolhafter sein: Wer aus dem Hauptbahnhof tritt, trifft auf einen Haufen bunter Punks, die - mit einer Blechdose klappernd - die Ankommenden um ein Almosen bitten. Das paßt zu der Stadt, die - pro Kopf gerechnet - mit einer Verschuldung von 13 Milliarden Euro tief in der Kreide steht. Die von den Deutschen Konservativen e.V. gegründete Wählerinitiative "Bremen muß leben" will diesem Zustand bei den Landtagswahlen am 13. Mai den Garaus machen. Auf ihren Wahlplakaten jagen die Bremer Stadtmusikanten das Politiker-Ensemble von SPD, DVU und Grünen davon, und der mit seinem Schwert kämpfende Roland - das Wahrzeichen Bremens - rechnet mit gewaltbereiten Störenfrieden ab. "Sicher, sauber, schuldenfrei" lautet das Motto der konservativen Initiative.

Derweil droht in Bremen die parlamentarische Demokratie ausgehebelt zu werden. Denn der Wählergemeinschaft "Bremen muß leben" wird das Recht auf demokratische Teilhabe massiv beschnitten. Betroffen sind davon das Recht auf Gleichbehandlung, die Versammlungsfreiheit sowie die freie Meinungsäußerung. So werden aufgestellte Wahlplakate von "Bremen muß leben" vielerorts gleich wieder zerstört und sind im Stadtbild kaum präsent. Zeitungen verweigern die Schaltung von Anzeigen. Kandidaten erhalten anonyme Drohbriefe und werden in ihrem Umfeld als "Nazis" denunziert. Die Post weigerte sich, Briefe auszutragen. Im Internet kursieren unverhüllte Gewaltaufrufe. Hotels, die Versammlungsräume zur Verfügung stellen, werden massiv unter Druck gesetzt und zur Kündigung genötigt.

Paradigmatisch ist die Situation im Bremer Rathaus, wo die Linkspartei, die bei der kommenden Wahl erstmals in ein westdeutsches Parlament einziehen könnte, wie auch die regierende SPD Veranstaltungen abgehalten hatten. Als Joachim Siegerist, Spitzenkandidat von "Bremen muß leben", dort eine Wahlveranstaltung mit dem Landeshauptmann von Kärnten, Jörg Haider, anmeldete, änderte Oberbürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) handstreichartig die Benutzungsordnung des Rathauses. Mit unverhohlener Genugtuung bewertete das SPD-Blatt Weser-Kurier diesen Akt als Sieg über den "rechstradikalen" Siegerist. So fand die Veranstaltung mit Haider am Freitag voriger Woche unter konspirativen Umständen in einem Hotel statt. Dieses, so Siegerist pathetisch, habe mit der Saalvermietung "mehr für die Demokratie getan" als der gesamte Bremer Senat. Er kündigte an, hier auch die erste Fraktionssitzung abhalten zu wollen. Nach dem jüngsten Umfrageergebnis von Infratest kann "Bremen muß leben" mit bis zu 13 Prozent der Wählerstimmen rechnen.

Jörg Haider, willkommen geheißen als langjähriger Freund Siegerists, versuchte zunächst die Parallelen zwischen Bremen und seiner Heimat aufzuzeigen. So besäßen Kärnten mit 560.000 und Bremen mit circa 600.000 Einwohnern etwa eine gleichgroße Bevölkerungszahl, auch seien beide Länder jahrzehnte lang von den Sozialdemokraten regiert worden. Im Rückblick auf die EU-Sanktionen gegen die erstmalige FPÖ-Regierungsbeteiligung in Wien erinnerte er an den "Grünfaschisten" Joschka Fischer. Bei den von Behördenseite erfolgten Versuchen, die Annahme der Wahllisten von "Bremen muß leben" zu vereiteln, sah er einen "klassischen Fall für eine Wahlbeobachterkommission", die hier viel nötiger scheine als wohlfeile Entsendungen in die Ukraine oder nach Afrika. Die Erfolgsbilanz Kärntens - unter anderem höchste Investitionsrate, niedrigste Ausländer- und Kriminalitätsrate - präsentierte er als "Gegenmodell" zur herrschenden Gesellschaft. "Das ist auch eure Chance!" rief Haider dem über 300 Besucher zählenden Publikum zu.

In der CDU-Wahlkampfzentrale "Röwekamp", benannt nach dem Innensenator und Spitzenkandidaten der Christdemokraten, starrt man unterdessen wie das Kaninchen auf die Schlange ratlos auf den sich anbahnenden Bürgerschaftseinzug der Initiative "Bremen muß Leben". Sorgenfalten sind auch auf der Stirn von CDU-Kandidaten Jessica Meyer (28), die sich - mit Listenplatz 24 - kaum mehr Chancen ausrechnen kann. Von beinahe tonloser Trauer ist ihr Kommentar in den lokalen Medien: "Das sind doch unsere Wähler!"

Foto: Jörg Haider und Spitzenkandidat Joachim Siegerist in Bremen: "Sicher, sauber, schuldenfrei"


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