© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/07 04. Mai 2007

Zeitschriftenkritik: Ermlandbriefe
Tendenz: konservativ
Jochen Schmitt

Bis 1945 war Ostpreußen weit überwiegend protestantisch mit einer kleinen katholischen Enklave, dem südlich von Königsberg gelegenen Ermland, das heute zu Polen gehört. Unter den katholischen Vertriebenen nehmen die Ermländer eine besondere Stellung ein. So war der letzte deutsche Bischof von Ermland, Maximilian Kaller, bis zu seinem Tod praktisch "der Bischof der Vertriebenen", weil er sehr selbstlos und engagiert für seine Schützlinge eintrat. Heute läuft ein Seligsprechungsverfahren für Bischof Kaller. Durch ihn wird das Ermland bei vielen Katholiken unvergessen bleiben.

Nach der Vertreibung der Deutschen aus den Osten wurde seitens der Kirche für jede vertriebene Volksgruppe bzw. deren Heimatdiözesen das Amt des Kanonischen bzw. Apostolischen Visitators geschaffen. Diese sollten die Seelsorge koordinieren und den Menschen auch praktische Hilfen geben. Anfangs hatten sie den Rang eines Bischofs und waren Mitglied der Bischofskonferenz, bis auch im deutschen Katholizismus die "neue Ostpolitik" Einzug hielt.

Seit 60 Jahren gibt der jeweilige Visitator Ermland die Ermlandbriefe heraus, die am Ende jeden Quartals erscheinen. Das umfangreiche Heft im kleinen Zeitungsformat hat eine Auflage von 23.000 Exemplaren. Es beeindruckt den Leser, weil es zeigt, wie lebendig die kulturelle Tradition dort gepflegt wird. Vielfältige Wallfahrtankündigungen und Hinweise auf Veranstaltungen sowie Studienfahrten, etwa des Ermländischen Landvolks e.V., sind dort zu finden. Ebenso machen die Berichte über die Aktivitäten von Jugendlichen deutlich, daß es den Ermländern gelungen ist, junge Menschen für die Heimat zu interessieren und zu aktivieren. Eine wichtige Rolle dürfte wohl die religiöse Dimension des Jugendverbandes Gemeinschaft Junges Ermland spielen.

Im Gegensatz zu vielen Periodika vertriebener Katholiken, die theologisch eher progressiv orientiert sind, zeigt sich bei den Ermlandbriefen eine konservative Tendenz. So gibt es etwa eine Rubrik "Katechismus-Ecke" und selbst auf einem abgebildeten Foto der Visitatoren verschiedener Volksgruppen ist der ermländische Msgr. Lothar Schlegel der einzige mit Priesterkollar.

In der aktuellen Ausgabe wird ausführlich über eine Einweihungsfeier im Ermlandhaus zu Münster berichtet: Im Januar sind nämlich der Visitator Breslau und der Visitator Grafschaft Glatz eingezogen, nachdem deren Visitaturen dorthin verlegt wurden. Obwohl der Bericht sehr positiv verfaßt ist, macht er deutlich, daß die Vertriebenen nun weniger werden und deren Organisationen an Bedeutung verlieren.

Im hinteren Drittel des interessant gemachten Blatts finden sich Geburtstagsmeldungen, Ehejubiläen und Nachrufe auf Verstorbene, wie es bei vielen Vertriebenenzeitschriften üblich ist. Im letzten Jahr wurde hier auch der Tod des ehemaligen CDU-Politikers Rainer Barzel vermeldet, der wahrscheinlich der letzte einer breiten Öffentlichkeit bekannte Ermländer war.

Anschrift: Der Visitator Ermland, Ermlandweg 22, 48159 Münster, Internet: www.visitator-ermland.de 


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